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Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Titel: Stefan Zweig - Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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abergläubisch, und wie jedes Kind des Glücks fürchtete er sich sehr vor Zauber und Zeichen. Einige Zeit schwieg er und dachte nach. Dann befahl er trocken: »Es sei. Man nehme das Ding aus der Beute und schaffe es nach Jeruscholajim!«
    Der alte Mann erbebte, da der Dolmetsch die Worte übertrug. Wie ein weißer Blitz schlug die selige Kunde in ihn ein und erhellte sein Herz. Nun war alles erfüllt. Für diesen Augenblick hatte er gelebt. Für diesen Augenblick hatte Gott ihn aufgespart. Und ohne daß er es wußte und fühlte, hob er die eine, die unversehrte Hand und stieß sie zitternd empor, als wollte er in seinem Danke bis zu Gott aufgreifen. Aber Justinian beobachtete scharf, wie des alten Mannes Gesicht sich hellte zur Freude. Eine schlimme Lust kam über ihn. Nicht sollte dieser verwegene Jude hingehen dürfen und vor seinem Volke sich rühmen: ich habe den Kaiser bestimmt und besiegt. Er lächelte böse und scharf:
    »Nicht freu dich zu früh! Denn nicht euch Juden soll der Leuchter gehören und nicht dienen eurem falschen Dienst.«
    Und er wandte sich zu Euphemius, dem Bischof, der rechts zu seiner Seite stand:
    »Wenn du zu Neumond reisest, die neue Kirche zu weihen in Jeruscholajim, die Theodora gestiftet, so nimm den Leuchter mit. Aber nicht auf dem Altar soll er leuchten, sondern lichtlos gestellt sein unterhalb des Altars, damit jeder sichtbarlich sehe, wie unser Glaube steht über dem ihren und die Wahrheit über dem Irrtum. In der wahren Kirche soll er geborgen sein und nicht bei jenen, zu denen der Heiland gekommen und die ihn nicht erkannt.«
    Der alte Mann erschrak. Er hatte die fremden Worte nicht verstanden. Aber das böse Lächeln hatte er gefühlt und des Kaisers Mund und daß er etwas anbefahl, was wider ihn war. Flehend wollte er sich noch einmal hinwerfen, seinen Sinn zu wenden. Aber da hatte Justinian schon den Präpositus angeblickt. Dieser erhob den Stab, und die Vorhänge rauschten zu: verschwunden waren Kaiser und Thron, zu Ende der Empfang.
    Betäubt stand der Greis vor der verschlossenen Wand. Da rührte von rückwärts der Zeremonienmeister ihm die Schulter, er müsse sich entfernen. Verdunkelten Blickes wankte der Alte, gestützt von Jojakim, hinaus: zum andernmal, fühlte er, hatte Gott ihn zurückgestoßen, da das Heilige schon halb in seinen Händen war. Abermals war die Stunde versäumt. Abermals gehörte der Leuchter den Herren der Gewalt.
    Wenige Schritte, nachdem sie den Palast des Kaisers verlassen, begann Benjamin, der abermals bitter Geprüfte, plötzlich zu wanken. Mit aller Kraft mußten der Vorsteher und Jojakim den taumelnden Greis stützen. Sie trugen ihn in ein nahegelegenes Haus und betteten ihn hin. Ausgelöscht war die Farbe seines Gesichtes, geschlossenen Auges lag der Uralte da, und schon meinten sie, ihn umfange der Tod, denn schlaff hingen die blutlosen Hände herab, und da der Vorsteher ängstlich zum Herzen hintastete, pochte es nur noch zögernd und schwach. Als sei ihm alle Kraft mit jenem vergeblichen Anruf vor dem Kaiser aus dem Leibe gefahren, so lag Stunden und Stunden der Greis in völliger Fühllosigkeit; doch mit einemmal – es dunkelte bereits der Abend herein – raffte zu gleichem Staunen der beiden dieser Todmüde jählings sich auf und starrte sie fremden Blickes an, wie einer, der vom Jenseitigen wiederkehrt. Dann aber, sie erkennend, befahl er zu ihrer abermaligen Verwunderung mit heftiger Hast, sofort sollten sie ihn hinüberführen zum Bethaus von Pera, er wolle Abschied nehmen von der Gemeinde. Vergeblich, daß die beiden ihn mahnten, länger noch Rast zu halten und seines Leibes zu schonen: eigensinnig beharrte der Alte auf seinem Befehl, und sie mußten ihm willfahren. In einer Trage brachten sie ihn zu einem Boot und in dem Boote hinüber nach Pera. Wie ein Schlafender ließ er sich führen, leer das Auge, verschlossen der Mund. Längst schon hatten unterdes die Juden in Pera des Kaisers Spruch und Bescheid vernommen. Aber zu heftig war in ihnen vordem die Gewißheit des Wunders gewesen, als daß sie sich der bewilligten Heimkehr des Leuchters zu freuen vermochten. Viel, viel zu klein war diese eine Erfüllung für das unselige Übermaß ihres Hoffens. Denn sollte nicht abermals die Menorah ein fremdes Gotteshaus umschließen, und sie selbst, mußten sie nicht weiterhin irren und wesen in Verbannung und Fremde? Nein, es war nicht der Leuchter, um den sie gesorgt, es war ihr eigenes Schicksal! Wie Geschlagene saßen sie da,

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