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Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Titel: Stefan Zweig - Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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sie nicht zuvor in meine Werkstatt gesendet, damit ich es wäge und prüfe. Auch diesmal, ich weiß es, wird alles, was Belisar von den Vandalen gebeutet, mir übermacht werden, daß ich es schätze nach Wert und Gewicht, und als erstes erbat ich den Leuchter. Gestern brachten ihn des Schatzmeisters Knechte: sieben Tage ist mir verstattet, ihn zu bewahren.«
    »Und dann?«
    »Dann trägt das Schiff ihn hinüber.«
    Benjamin erblaßte von neuem. Wozu dann ihn rufen? Daß er der Zeuge sei aber und abermals, wie der Leuchter, der heilige, nah war und wieder und wieder geraubt wurde?
    Aber bedeutsam lächelte Zacharias ihm zu:
    »Doch auch dies ist mir verstattet, daß ich von allem Kostbaren der kaiserlichen Kammer Abbilder forme. Oft, wo nur eines im Schatz ist von einem Werke, begehren sie von mir, daß ich ein zweites gleicher Art dazu schaffe, denn sie vertrauen meiner Hand. Nach Konstantins Krone schmiedete ich jene Justinians, und für Theodora das Diadem, dessen gleiches einst Kleopatra trug. So habe ich Erlaubnis erbeten, ein Abbild des Leuchters nachzuahmen, ehe er in die neue Kirche jenseits des Meeres gesandt wird, und noch heut beginn’ ich das Werk. Schon sind die Tiegel gehitzt, schon habe das Gold ich bereitet; in sieben Tagen ist ein neuer Leuchter gefertigt, so völlig dem unsern gleich, daß niemand den einen wird unterscheiden können vom andern, denn völlig wie jener wird er sein im Gewicht, in Form auch und Zierung und gleich die Körnung des Golds. Nur heilig wird der eine sein und irdische Arbeit der andere. Doch welcher von beiden der heilige ist und welcher der andere, welchen wir selber in Frommheit bewahren und welchen wir jenen hingeben auf den Weg in die Fremde, das soll von nun ab nur zweier Menschen Geheimnis sein: das meine, das deine.«
    Benjamin fühlte das Beben auf seinen Lippen nicht mehr. Die Welle des Bluts ging mit einmal weich und warm durch seinen ganzen Leib, die Brust spannte, die Augen erhellten sich, wie ein Widerschein begann des andern Lächeln auf seinem zerknitterten alten Gesicht. Er verstand. Was er selbst einst versucht, das vollbrachte nun dieser. Er nahm den Leuchter zurück von den andern, Gleiches für Gleiches erstattend in Gold und Gewicht und nur das Heilige rettend. Aber er neidete nicht Zacharias die Tat, die zu tun bislang der Sinn seines Lebens gewesen. Nur demütig sagte er:
    »Gott sei gelobt. Nun sterbe ich gern. Du hast den Weg gefunden, den ich vergebens gesucht. Mich hat Gott nur gerufen. Dich hat er gesegnet.«
    Aber Zacharias wehrte ab:
    »Nein. Wenn einer, so bringst du und nur du den Leuchter der Heimat zurück.«
    »Nicht ich. Ich bin ein alter Mann. Ich kann sterben am Wege, und abermals fällt er in fremde Hand.«
    Aber Zacharias lächelte stark und bestimmt:
    »Du wirst nicht sterben. Selber weißt du nun schon: dein Leben vergeht nicht, bevor sich sein Sinn erfüllt.«
    Benjamin erinnerte sich: gestern hatte er sterben gewollt und Gott hatte den Wunsch ihm versagt. Vielleicht war ihm wahrhaft noch Auftrag gegeben. So weigerte er sich nicht länger und sagte nur:
    »Ich habe keinen Willen wider seinen Willen. Wenn Gott mich wahrhaft wählt, wie sollte ich mich wehren? Geh und beginne!«
    Sieben Tage blieb die Werkstatt Zacharias’, des Goldschmieds, jedem Zugang verschlossen. Sieben Tage betrat sein Fuß nicht die Gasse und keinem Klopfen auf tat sich das Haus. Vor ihm stand auf erhöhtem Gestelle der ewige Leuchter, still und groß, wie er einstens gestanden vor dem Altar des Herrn; in dem Ofen zuckte indes mit schweigsamen Zungen das Feuer und schmolz das aus Ringen und Spangen und Münzen zerschlagene Gold. Benjamin sprach in diesen sieben Tagen kein Wort. Er sah zu, wie die gärende Masse feurig im Tiegel wogte und wie die ausgegossene wiederum fügsam einströmte in die vorbereiteten Formen und härtend sich kühlte. Als Zacharias dann vorsichtigen Spachtelschlags die Hülle zerbrach, war des neuen Leuchters Gestalt ungefähr schon erkenntlich. Stark und steil wuchs von der Stütze des Untersatzes der Strunk empor, von ihm brachen rund gebogen die sieben Schäfte wie Stengel vom Stamm, deutlich formten sich Kelche daran, bestimmt, die Lichter zu halten, und in die noch glatten Flächen zeichnete schärfer und schärfer des Goldschmieds unermüdlich hämmernde und feilende Hand genau die gleichen zarten Ornamente der Blumen und Blüten, wie sie den heiligen schmückten. Ähnlicher wurde von einem Tage zum andern der eben erst werdende

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