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Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Titel: Stefan Zweig - Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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mit dem Kriege, nun traget seine Frucht! Ihr habt gespielt mit dem Schwerte, nun fühlet seine Schärfe. Wider euch schlaget mit den Fäusten, wider euch mit den Worten!
    STIMMEN:
    Wehe… er zürnt uns… Jeremias… sieh unsere Not… hilf uns… was sollen wir tun…
    JEREMIAS:
    Es tue jeder nach seinen Kräften. Wer ein Schwert fassen kann, fasse das Schwert und diene mit seinem Blute, und wem der Arm lahmt, der gehe ein in sein Haus und diene mit seinen Tränen. Aber rottet euch nicht und murret nicht!
    DIE MENGE:
    Nein… Rettung… Hilf uns… Sieg, gib uns Sieg… Laß uns nicht ohne Hoffnung… Siehe, wir vergehen… Jerusalem… rette uns… rette Jerusalem… Heiliger… Gütiger… hilf uns… ein Wunder tu, laß es nicht geschehen… ein Wunder… recke aus deinen Arm, wie Jesaja tat… wie Elia… wie Aaron… hilf uns…
    JEREMIAS:
    Niemand kann helfen, so Gott euch nicht hilft.
    DIE AUFREIZENDE STIMME:
    Gott hat uns verlassen!
    DIE MENGE:
    Ja… Gott hat uns verlassen… wo ist er… wo ist der Bund, den er geschlossen mit uns… Gott hilft nicht…
    JEREMIAS (zornig):
    Was zischt ihr wider Gott aus eurem Elend, ihr Gewürm der Erde, wollt ihr, daß er euch zertrete mit seiner Ferse? Da er euch gnädig war, brüstetet ihr euch mit seiner Liebe und prangertet mit seiner Güte, und meinet ihn nun wegspeien zu dürfen am Tage des Gerichts! Wehe, welch ein Volk seid ihr. Stein ist eure Stirne und eine eiserne Ader euer Nacken, aber ich sage euch: Nicht stemmet die Stirn wider Gottes Stärke, beuget euch, beuget euch, ehe ihr zertreten werdet!
    STIMMEN:
    Wehe… wie unbarmherzig… er verläßt uns… nur Worte gibt er… Wir sind verloren… wer hilft uns… Nicht harte Worte gib uns… ein Wunder tu… ein Wunder… ein Wunder… ein Wunder…
    JEREMIAS:
    Wahrlich, ein Wunder wäre vonnöten, euren Starrsinn zu beugen! Noch aus dem Tod hebt ihr die Stirne, noch aus dem Untergang eure Lästerung! Wehe, welch ein Volk seid ihr! Ich aber sage euch, beuget euch, beuget euch! Nicht auf das Wunder wartet, das euch erlöse – den Gott erlöset in euch! Beuget euch, ihr Starren, demütiget euch, ihr Hochmütigen, ehe ihr zerbrochen werdet!
    STIMMEN HERBEISTÜRMENDER:
    Sie haben ein Tor gesprengt bei Moria… Abimelech ist gefallen!
    DIE MENGE (wild aufschreiend):
    Wehe… wehe… (Dann plötzlich mit verdoppelter Wucht gegen Jeremias aufschäumend): Höre… höre… wir sind verloren… jetzt hilf… tue ein Wunder… ein Wunder, Profet… ein Wunder…
    JEREMIAS (verzweifelt):
    Was wollt ihr, daß ich tue? Soll ich die nackten Arme recken wider den Feind…
    DIE MENGE (ekstatisch):
    Ja… ja… tue also…
    JEREMIAS:
    Glaubt ihr denn, daß ich jagen kann, den Gott wider euch sandte?
    DIE MENGE:
    Ja… ja… Du kannst es… Du kannst es… Du mußt es können… ja… ja… alles kannst du…
    JEREMIAS:
    Ich kann es nicht, Wahnwitzige! Nichts vermag ich wider Gott!
    DIE MENGE:
    Du kannst es… rette Jerusalem… Du kannst es!… Das Wunder tu…
    JEREMIAS (ausbrechend):
    Und wenn ich es könnte wider Gottes Wille, ich täte es nicht. Weichet von mir, die ihr mich verlockt wider ihn. Zu ihm halte ich und nicht zu euch, ich streite nicht wider sein Schwert, ich rede nicht wider seine Rede, ich will nicht wider seinen Willen! Möget ihr euch ihm wehren, ich beuge mich! Was immer er verhänge, ich beuge mich seinem Willen, ich beuge mich.
    STIMMEN:
    Wehe… nein… nein…
    JEREMIAS:
    Es geschehe, wie er bestimmt. Es erfülle sich sein Wille: wer durch das Schwert fallen solle, falle durch das Schwert, wen der Hunger schlägt, durch den Hunger, wen Pest würget, würge die Pest – sein Wille geschehe, sein Wille geschehe, ich beuge mich, ich beuge mich! Seine Bitternis will ich trinken und seine Fäuste fühlen, so es sein Wille ist – ich beuge mich.
    STIMMEN:
    Wehe… er verleugnet uns… er verläßt uns…
    JEREMIAS (immer mehr in Ekstase):
    Zu ihm halte ich, dem Getreuen, und nicht zu euch, die ihr schwanket. Sein Wille geschehe und nicht der eure! Herr, tue, wie es dein Wille ist – ich beuge mich dir, ich beuge mich. Fallen möge Jerusalem, so es dein Wille ist – ich beuge mich!
    (DIE MENGE bricht in einen Entsetzensschrei aus.)
    JEREMIAS:
    Fallen möge dein heiliges Haus, so es dein Wille ist – ich beuge mich!
    (AUS DER MENGE zucken wilde Wutschreie.)
    JEREMIAS:
    Fallen mögen die Türme, zerstieben das Volk und sinken sein Name, Schmach möge stürzen auf meinen Leib und Marter auf meine Seele, so

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