Steh zu dir
auf Carole.
»Jetzt mal ehrlich – wie geht es dir?«, wollte er wissen. Sie sah besser aus als bei ihrer letzten Begegnung, war aber immer noch blass. Er fragte sich, ob sie sich vielleicht doch zu viel zumutete, seit sie wieder zu Hause war.
»Gut, wirklich.« Sie sah ihn überrascht an.
»Du hast uns einen ganz schönen Schrecken eingejagt.«
»Ich mir auch, und ich habe verdammtes Glück gehabt.«
Sie plauderten noch ein bisschen, dann ging er zu Bett. Carole setzte sich für ein paar Minuten in ihr Arbeitszimmer. Sie mochte diese Tageszeit, wenn im Haus alles still war. Als die Kinder klein waren, hatte sie diese Minuten besonders genossen, weil sie ihr allein gehörten. Sie brauchte das.
Carole schaute auf die Uhr. Es war kurz nach Mitternacht und in Paris neun Uhr am Morgen. Sie zog in Erwägung, Matthieu anzurufen. Stattdessen blickte sie auf den Bildschirm ihres Computers und las, was sie zuletzt geschrieben hatte. Sie wusste jetzt, was und wie sie es schreiben wollte.
Danach betrachtete sie den beleuchteten Springbrunnen im Garten. Ihre Kinder waren zu Hause und schliefen in ihren Betten. Jason war da und zu einem guten Freund geworden. Stevie würde heiraten und sie selbst bald wieder einen Film drehen. Sie hatte einen Bombenanschlag überlebt, und ihr Gedächtnis funktionierte wieder. Carole schloss die Augen und dankte Gott still. Sie hatte alles zurückbekommen – und mehr noch dazu. Und vor allem hatte sie sich selbst, hatte weder ihre Ideale noch ihre Wertvorstellungen aufgegeben. Zärtlich betrachtete sie den Armreif, den Matthieu ihr geschenkt hatte. »Achte dich selbst.«
Das hatte sie nach bestem Wissen und Gewissen getan.
Ihrer Familie hatte sie noch nichts über die Entwicklung mit Matthieu erzählt. Anthony würde anfangs vielleicht protestieren, aber sie hoffte, dass er sich mit der Zeit beruhigte. Es war sein gutes Recht, sich Sorgen um sie zu machen. Aber sie hatte das Recht auf ein eigenes Leben.
»Was tust du da?«, fragte eine Stimme hinter ihr. Es war Chloe, die im Nachthemd an der Tür stand. Sie wollte wieder mit im Bett ihrer Mutter schlafen. Das erinnerte Carole an die Zeit, als Chloe ein kleines Mädchen gewesen war. Damals hatte sie auch gern bei ihrer Mutter geschlafen.
»Ich denke nach.« Carole drehte sich um und lächelte Chloe an.
»Und worüber?«
»Für wie vieles ich an diesem Weihnachten dankbar sein muss.«
»Ich auch«, antwortete Chloe leise, ging zu ihrer Mutter und drückte sie ganz fest. »Ich bin so froh, dass du hier bist!« Dann tänzelte sie auf ihren langen Beinen aus dem Zimmer. »Komm schon, Mom. Lass uns schlafen gehen.«
»Okay, Boss.« Carole schaltete das Licht im Arbeitszimmer aus.
»Danke«, flüsterte sie und blickte lächelnd hinauf zum Sternenhimmel. Es war wirklich ein frohes Weihnachten in diesem Jahr, für sie alle.
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