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Stehaufmaennchen

Stehaufmaennchen

Titel: Stehaufmaennchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Maria Profitlich
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leise für einen Arbeitnehmer mit einem Sechzehn-Stunden-Tag. Hetze ohnezu duschen zur Bushaltestelle und winke dem Bus hinterher. Renne durch den Wald, um ihn an der nächsten Haltestelle abzupassen. Der Bus ist schneller. Renne wieder zurück, um wenigstens den nächsten Bus zu kriegen. Zwei Stunden später torkele ich todmüde in die Küche. Gut, dass ich nur Zwiebeln schälen muss, denn zu mehr fühl ich mich heute nicht imstande. Doch heute gibt es keine Zwiebeln. Denn heute ist Großalarm: eine Hochzeitsgesellschaft. Renne den ganzen Vormittag rum. Kühlhaus. Getränkelager. Ausschank. Kühlhaus. In der Küche wird nur rumgeschrien. Flammen schlagen aus dem Herd. Heiße Pfannen werden durch die Luft geschleudert. Wenn ich nicht sicher wäre, in einer Küche zu stehen, könnte dies auch ein Schlachtfeld in Vietnam sein.
    In der Mittagspause kann ich nicht mehr. Schaue mir müde Beuel an. Schon sehr vertraut.
    Abends frage ich nach meinem Lehrvertrag. Klar, der sei in der Mache.
4. November 1977
    6 Uhr. Aus Angst, den Wecker zu überhören, hab ich mir eine Weck-Konstruktion aus einer Zeitschaltuhr und dem Staubsauger gebaut. Funktioniert perfekt. Werde sofort wach. Alle anderen im Haus auch. Stimmung beim Frühstück gereizt.
    Heute lerne ich schneiden. Natürlich Zwiebeln. Bolten macht vor, wie es geht, und hackt in einer Sekunde eine Zwiebel in exakt identische Würfelchen mit den Kantenmaßen drei Komma vier Millimeter. Puh ... Dann bin ich dran. Hacke wie bekloppt auf die Zwiebel ein. Nach einer Minute stelle ich fest, dass ich die Zwiebel noch nicht mal getroffen habe. Dafür hab ich mir ein Stück meines linken kleinen Fingers abgesäbelt. Der Verlust der Fingerkuppe schmerzt, aber wenigstens stimmt ihr Kantenmaß.

    Kriege ein Pflaster und einen Fingerling, eine Art Pariser für Finger. Wegen der Hygiene. Gehe die Sache langsamer an undschneide die Zwiebel erst mal in der Mitte durch, ohne mich dabei zu verletzen. Schon mal nicht schlecht. Dann schneid ich die beiden Hälften durch und so weiter. Nach zehn Minuten präsentiere ich stolz das Ergebnis. Sechzehn ungefähr gleichgroße Zwiebelstücke. Bolten meint, die Würfel seien immer noch zu groß und vor allem nicht gleichmäßig geschnitten. Ich habe im Haus am Rhein noch keinen Gast gesehen, der die Zwiebelwürfel in seinem Salat mit dem Geodreieck nachmisst, beschließe aber nix zu sagen. Nach einer halben Stunde (bin gerade damit beschäftigt, die Oberfläche einiger Würfel mit Schmirgelpapier nachzuarbeiten) fragt Bolten, wie weit ich denn sei. Na, fast fertig. Kann wohl nicht sein, denn der Eimer wäre ja noch voll. Aha ... ich soll also den ganzen Eimer schneiden. Rechne aus, dass ich dafür wohl acht Wochen brauche. Bolten nimmt meine liebevoll angefertigte Zwiebelwürfelhandarbeit und gibt sie in den Soßenfond, wo sie augenblicklich verkocht. Es ist schön, wenn die Arbeit so gewürdigt wird.

    In der Mittagspause geh ich in ein Haushaltswarengeschäft (kenne mich in Beuel bereits gut aus) und kaufe einen Zick-Zick-Zyliss. Mama hat so einen und kann damit in Sekundenschnelle Zwiebeln hacken.
    Zick-Zick-Zyliss macht einen Spitzen-Job! Bolten lobt meine Würfel. Als er jedoch den Zyliss sieht, meint er, das wäre Kinderkram und ein richtiger Koch würde so was niemals benutzen. Ich soll gefälligst das Messer nehmen. Nehme das Messer und säbele mir die linke Zeigefingerkuppe ab. Bolten meint, ich halte die Finger falsch. Halte die Finger anders und säbele mir in den Handrücken. Bolten lobt meine Fingerhaltung. Schon besser! Dachte eigentlich, eine Ausbildung zum Koch zu machen und nicht zum Fakir.
    Als Bolten weg ist, nehm ich wieder den Zyliss. Heimlich. Am Abend ist Bolten zufrieden. Ich würdeschnell lernen. Freue mich wegen des Lobs und frage nach meinem Lehrvertrag. Der käme morgen. Bewegung kommt in die Sache.

5. November 1977
    6 Uhr. Pünktlich geht der Staubsauger los. Hitzige Diskussion am Frühstückstisch. Ob ich mich nicht anders wecken lassen kann. Ein Sauger wäre schließlich zum Saugen da und nicht zum Wecken. Die haben Probleme!
    In der Küche lerne ich heute, wie man Speck schneidet. Bringe heimlich meinen Zyliss zum Einsatz. Zyliss kann aber keinen Speck und zermatscht das Fleisch zu einer unappetitlich aussehenden Masse. Muss das Messer nehmen und schneide mir die Mittelfingerkuppe ab. Finde sie nicht wieder, und so landet sie mit den Speckwürfeln zusammen im Sauerkraut. Frage mich, wie viele Lehrlinge vor mir schon

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