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Stehaufmaennchen

Stehaufmaennchen

Titel: Stehaufmaennchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Maria Profitlich
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sind meine Hände komplett verbrannt. Dank meiner Lötkolben-Weck-Konstruktion steht der Zustand meiner Füße dem meiner Hände in nichts nach. Die Haut hängt in Fetzen runter, und mit dem Inhalt meiner Brandblasen könnte ich ein Freibad füllen. Einen Lehrlingsvertrag hab ich immer noch nicht. Mal war die Tinte aus, dann das Papier, ein andermal wusste Bolten meinen Namen nicht und so weiter. Trotzdem hab ich natürlich geschuftet wie bekloppt und bis jetzt bestimmt zwei Güterzüge voll Zwiebeln geschält. Kann es sein, dass man mich im Haus am Rhein ausnutzt?
16. Januar 1978
    Bis elf Uhr geschlafen. Nach dem Frühstück setz ich mich in den Bus und fahre zur Arbeit. Bolten empfängt mich mit einem Donnerwetter. Nachdem er fertig ist, lege ich wortlos meineKochmütze auf die Anrichte, greife mir meinen Zyliss und gehe. Kurz bevor ich draußen bin, dreh ich mich noch mal um und verkünde, dass ich meinen Fuß niemals mehr in dieses Lokal setzen werde.
    Das war gelogen, denn am Abend komme ich wieder. Zusammen mit der ganzen Familie und dem halben Dorf. Als Gäste. Insgesamt um die sechzig Personen. Denn ich habe beschlossen, meinen Ausstand gebührend zu feiern. Wir lassen es richtig krachen und bestellen, was die Speisekarte hergibt. Nur essen tun wir nichts. Unberührt lassen wir die ganze Pracht wieder zurück in die Küche gehen. Als Bolten wütend in den Gastraum stürmt und fragt, was mit dem Essen nicht in Ordnung sei, stehe ich auf und hab meinen großen Auftritt.
    »Es tut mit leid, aber ich kann das Essen meinen Gästen nicht zumuten! Absolut ungenießbar!«
    »Ach? Und warum?«
    »Die Zwiebeln sind nicht gleichmäßig geschnitten.«
    Wir stehen auf und lassen Bolten stehen. Alleine für dieses Gefühl hat sich mein Ausflug in die Gastronomie fast schon gelohnt.

25. Fahrprüfung

14. April 1978
    Fahrprüfung. Bin aufgeregt, aber gut vorbereitet. Mein Fahrlehrer meint, heute würde Herr Schilling prüfen. Schilling wäre berüchtigt und nähme es mehr als genau. Habe verstanden. Herr Schilling kommt. Klemmbrett in der Hand, grauer Kittel, Krawatte. Habe noch nie einen so exakt gebundenen Krawattenknoten gesehen. Mein Fahrlehrer hat Recht. Der Mann ist 250-prozentig.
    Wir steigen ein. Schilling setzt sich auf die Rückbank. Ich steige wieder aus und überzeuge mich zunächst vom ordnungsgemäßen Zustand des Fahrzeugs. (§ 23 StVO: Fahrer und Halter sind für den verkehrssicheren Zustand des Kfz verantwortlich) Schilling scheint mein Wissen zu imponieren. Nachdem ich die Profiltiefe der Reifen (vorne sechs, hinten sieben Millimeter), den Bremsflüssigkeitsstand (max.) und die ordnungsgemäße Funktion der Beleuchtungseinrichtung gewissenhaft überprüft habe, steige ich wieder ein. Rückspiegel einstellen. Perfekt.
    Lächle Schilling zu, der seinen Krawattenknoten noch einmal zurechtzupft. Linken Außenspiegel einstellen. Perfekt. Rechten Außenspiegel einstellen. Schwierig, denn ich komme nicht richtig ran. Steige wieder aus und bewege den rechten Spiegel einen Millimeter mehr nach innen. Steige wieder ein. Der Spiegelkönnte noch ein bisschen besser eingestellt werden. Der Fahrlehrer wird nervös. So eine Prüfung dauert normalerweise zwanzig Minuten. Die ersten fünf hab ich schon hinter mich gebracht. Korrigiere den Spiegel erneut. Besser. Steige wieder ein. Schilling bittet mich, endlich loszufahren. Ich schnalle mich an, lege den Leerlauf ein und starte den Motor. Mein Fahrlehrer atmet auf. Setze den linken Blinker, dann Blick in den Rückspiegel, den linken Außenspiegel, Schulterblick und los geht‘s.
    Erst mal Tempo fünfzig. Wir fahren ja innerhalb einer geschlossenen Ortschaft. Die Tachonadel zeigt exakt fünfzig. Gut! Dann geht‘s auf die Landstraße. Tempo siebzig. Will gerade beschleunigen, als vor uns ein Traktor auftaucht. Bremse ab und folge dem Traktor im vorgeschriebenen Sicherheitsabstand. (Faustregel: halber Tachoabstand) Der Traktor fährt 22, also halte ich exakt elf Meter Abstand. Schilling trommelt ungeduldig auf seinem Klemmbrett herum. Im Rückspiegel sehe ich, wie er nervös an seinem Krawattenknoten zieht. Ich will gerade zum Überholvorgang ansetzen, als wir an Schild Nummer 276 vorbeifahren: Überholverbot für Kraftfahrzeuge aller Art. Halte den vorgeschriebenen Sicherheitsabstand weiter ein. Schilling seufzt und fordert mich auf, bei der nächsten Möglichkeit rechts abzubiegen, um endlich den Traktor loszuwerden.
    Nach drei Kilometern kommen wir an eine Abzweigung.

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