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Stehaufmaennchen

Stehaufmaennchen

Titel: Stehaufmaennchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Maria Profitlich
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Satz los. »Einen wunderschönen guten Tag. Mein Name ist Profitlich. Ich komme von der Firma Bofrost und möchte Ihnen einmal unverbindlich unser Produktsortiment vorstellen.«
    »Kein Interesse!« Tür zu. Eigentlich hätte jetzt kommen müssen »Wie interessant!« Die Frau sollte mal einen Lehrgang bei Bofrost machen.
    Klingele nebenan. »Einen wunderschönen guten Tag. Mein Name ist Profitlich ...«
    »Schön für Sie!« Tür zu. Muss meinen Satz schneller loswerden.
    Klingele nebenan. Nix. Will gerade gehen, als ein Mann die Tür öffnet, um nach seiner Post zu sehen. Lege los: »Tag! Profitlich! Bofrost! Produktsortiment vorstellen!«
    Der Mann versteht nicht. Dem Aussehen nach stammt er aus der Zeit Tutenchamuns. Allerdings sieht Tutenchamun besser aus. Die Mumie legt ihre Hand ans Ohr und schaut mich fragend an. Ich brülle meinen Satz noch mal in das Faltengebirge seines Gesichts. Der Mann schüttelt den Kopf. Dagegen ist Tante Gerda ein Kinderspiel. Denn mein Kunde trägt noch nicht mal einHörgerät. Ginge auch gar nicht. Denn ein Hörgerät, das imstande wäre, seinen Hörfehler zu korrigieren, hätte die Ausmaße der Bühnenanlage von Led Zeppelin. Brülle verzweifelt weiter. In der Nachbarschaft gehen die ersten Türen auf. Kurz bevor ich heiser bin, ruft mich eine Nachbarin zu sich rüber. Erleichtert lasse ich Tutenchamuns älteren Bruder stehen.
    Die Frau mustert mich. Ich mustere die Frau. Schätze ihr Alter so Ende fünfzig. Soso, ich würde also Tiefkühlkost verkaufen. Und ob ich nicht mal reinkommen möchte. Sieg! Die Frau führt mich in die Küche und entschuldigt sich für einen Moment. Sie wolle sich etwas anderes anziehen. Meinetwegen. Wenn sie sich beim Spinatbestellen in einem Kleid besser fühlt, soll sie sich ruhig umziehen. Hauptsache, ich werde meine Tiefkühlkost los.
    Die Nachbarin kommt zurück. Ich habe gelesen, dass man blind werden kann, wenn man zu lange auf Schnee guckt. Aber gegen das, was sich meinen Augen jetzt bietet, ist die Antarktis ein Eiswürfel. Die Nachbarin (»Du kannst mich Elfi nennen«) schwebt in einem dunklen Negligé, das große Mühe hat, ihre Gletscherlandschaften zu verbergen, in den Raum und setzt sich mir gegenüber an den Tisch. Versuche meinen Blick von Elfis Dolomiten abzuwenden und murmele etwas von Fertiggerichten, ganz neu im Sortiment, und ob ich ihr die mal vorstellen darf. Elfi legt ihre nackten Füße auf den Tisch. Ich betrachte ihre Schwielen und offeriere das erste Fertiggericht. Gebratenes Eisbein mit Speckkruste. Vier Mark dreißig. Ich schwitze. Elfi fragt, ob ich es mir nicht bequemer machen möchte. Es sei ja ein heißer Tag heute. Dann lächelt sie mich an. Beim Anblick ihrer Zähne muss ich an das nächste Gericht denken. Dicke Bohnen mit Pökelzunge. Drei Mark fünfzig. Ich schlucke. Ob ich etwas trinken möchte. Mein Hals ist so trocken, dass ich kaum antworten kann. Elfi öffnet eine Flasche Likör und bietet mir ein Glas an. Ich kann nicht anders und kippe den Likör runter. Scheußliches Aroma. Aber es gibt Schlimmeres. Zum BeispielElfis Parfum. Dem Duft nach zu urteilen stellt sie es selber her, indem sie tote Vögel in Alkohol auflöst. Das nächste Fertiggericht schießt mir in den Kopf. Hähnchenklein in Sherry-Soße. Drei Mark neunzig. Mir wird schlecht und ich frage, ob ich mal kurz zur Toilette kann. Elfi ist hocherfreut und zeigt mir das Bad. Ein Traum in rosa Plüsch. Zu Elfis Missfallen schließe ich die Tür und denke fieberhaft nach. Ich könnte durchs Badezimmerfenster abhauen. Vergittert. Elfi ist gut vorbereitet. Um den Duft von Elfis Parfum loszuwerden, reibe ich mir Zahncreme unter die Nase. Das machen Gerichtsmediziner vor einer Obduktion auch so. Elfi klopft. Ob ich etwas bräuchte. Durch die geschlossene Tür antworte ich, dass ich gut eine Metallsäge für die Gitter brauchen könnte. Elfi versteht nicht. Sie hält meine Bemerkung für einen Scherz und bleibt konsequent vor der Tür stehen. Denke gerade darüber nach, ob ich Elfi nicht einfach mitsamt der Badezimmertür überrennen soll, als es klingelt. Die Rettung! Irgendjemand muss die GSG 9 angerufen haben. Die Jungs haben bei der Geiselbefreiung in Mogadischu gute Arbeit geleistet. Allerdings trugen die Terroristen auch nicht Elfis Negligé. Höre, wie Elfi zur Tür geht. Keine Schüsse. Stille. Nach zwei Minuten schleiche ich mich aus dem Bad. Vielleicht hab ich ja Glück und Elfi ist gerade Opfer eines psychopathischen Serienkillers geworden, der sie in

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