Stehaufmaennchen
Baum fällt, denn in Kanada ist wahnsinnig viel Platz. Im Gemüsegarten des Rentners nicht. Zum Beispiel steht hier eine Gartenlaube. Vielmehr: sie stand. Denn da, wo sie eben noch war, ruht jetzt die Birke (in Frieden). Der Rentner ist nicht begeistert. Auch mein Argument, durch den Abriss der Gartenlaube doch schon viel Platz für Gemüsebeete gewonnen zuhaben, überzeugt ihn nicht. Der Mann beruhigt sich erst, als ich ihm klarmachen kann, dass die Firma den Schaden selbstverständlich ersetzt. Wir seien ja extra gegen solche Unfälle versichert. Ob wir auch gegen Dummheit versichert seien. Spare mir die Antwort und mache mich an den zweiten Baum. Damit nicht auch noch der kleine Zierfischteich des Rentners meinen Fällarbeiten zum Opfer fällt, stelle ich ein paar Überlegungen an.
Wie bringt man einem Baum bei, in welche Richtung er abzudanken hat? Mein Blick fällt auf die Seilwinde an der Schnauze des Suzukis. Idee! Man zieht den Baum einfach in die gewünschte Richtung. Mittels Seilwinde. Steige auf eine Leiter und befestige das eine Ende des Stahlseils in fünf Meter Höhe an einer stabilen Astgabelung. Steige wieder runter, gehe zum Suzuki und schalte die Winde ein. Das Seil spannt sich langsam. Der Baum ächzt. Sehr gut. Mache mich mit der Kettensäge ans Werk, während die Winde das Seil immer straffer spannt.
Der Baum scheint aus härterem Holz zu sein als sein Kollege, denn die Kettensäge braucht ihre Zeit. Setze ab, um eine Pause zu machen, und stutze. Wo ist der Suzuki hin? Weit und breit nichts zu sehen. Plötzlich vernehme ich über mir ein Knirschen. Wie eine dicke Birne baumelt der Suzuki über mir im Baum. Ganz schon kräftig, diese Seilwinde. Hat tatsächlich den ganzen Jeep den Baum hochgezogen. Überlege, wie ich den Suzuki am schonendsten pflücken könnte.
Frage die Frau des Rentners, ob sie nicht ein paar Kissen für mich hätte. Hat sie. Sofakissen. Selbst bestickt. Bedanke mich und lege die Kissen unter dem Baum aus, um den Aufprall des Jeeps etwas zu mildern. Mit einem Bolzenschneider steige ich wieder auf die Leiter und kappe das Stahlseil. Der Suzuki tut das, was die Schwerkraft ihm gebietet, und kracht auf die Kissen. Nachdem der Regen aus Kissenfedern sich gelegt hat, betrachte ich den Suzuki. Wahrscheinlich weltweit der erste Totalschaden, der an einem Auto entsteht, weil es von einem Baum gefallen ist. Und bei den Kissen wahrscheinlich weltweit der erste Totalschaden, der aufgrund eines Zusammenstoßes mit einem Jeep entstand. Aber wir sind ja versichert. Der Rentner kommt hinzu, betrachtet unseren Ex-Jeep und meint, der Suzuki scheint wohl etwas zu leicht gewesen zu sein, oder hätte ich etwa vergessen, die Handbremse anzuziehen? Hab ich. Das sag ich aber nicht, sondern bestätige den Rentner in seiner Theorie über das mangelnde Gewicht des Mini-Jeeps. Ob wir nicht ein anderes Fahrzeug hätten. Nicht so eine leichte Reisschüssel. Haben wir. Fahre mit dem Linienbus zurück in den Betrieb, um dort schweres Geschütz zu holen.
Bei dem schweren Geschütz handelt es sich um einen Unimog 416. Baujahr 69, achtzig PS, acht Gänge, Kriechgangzusatzgetriebe, Leergewicht gut drei Tonnen. Das sollte reichen. Schleiche mich am Büro des Chefs vorbei auf den Hof des Betriebs. Der Chef muss ja nicht jetzt schon mitbekommen, dass der Jeep einen kleinen Schaden hat. Steige in den Unimog. Der Schlüssel steckt. Betrachte nachdenklich den Wald aus Gangschaltungshebeln und lasse den Motor an. Irgendwann krieg ich den Unimog dazu, sich in Gang zu setzen. Mit drei km/h schleiche ich vom Hof der Firma. Draußen versuche ich hochzuschalten. Der Unimog quittiert jegliche Berührung eines Schalthebels mit gefährlich lautem Knirschen aus Richtung irgendeines seiner fünf Getriebe. Lasse die Schalthebel in Ruhe und kriecheweiter. Dabei mache ich eine interessante Erfahrung. Denn beim Unimogfahren erlebt man die Landschaft um sich herum genauso intensiv wie beim Wandern. Nur, dass man dabei nicht zu Fuß gehen muss. Zeit und Raum zerfließen. Wie der Schweiß auf den Stirnen der Fahrer in der Schlange hinter mir. Träume davon, mir später einmal einen Trecker zu kaufen.
Drei Stunden später stehe ich wieder im Garten des Rentners. Befestige das Stahlseil an der dicken Astgabelung und schalte die Winde des Unimogs ein. Dann greife ich wieder zur Kettensäge. Diesmal klappt es. Der Baum kippt. Genau in die Richtung der Seilwinde.
Die Karosserie eines Unimogs hat eine einzige Schwachstelle. Das
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