Steife Prise
stand schon wieder dieser elende Anwalt. Natürlich nicht in der Menge selbst, denn ein ehrenwerter Anwalt konnte sich schlecht mit dem Mob gemein machen. Nein, er war bloß da und schaute zu.
Volker funkelte die verbliebenen Männer finster an, denn wie leicht stolperte man über die eigenen oder anderer Leute Füße. »Ich weiß die Unterstützung Eures Dieners zu schätzen, Kommandeur, aber das hier ist mein Bezirk, wenn Ihr versteht, was ich meine, und jetzt rede ich.«
Volker keuchte schwer, aber sein Blick wanderte stetig hin und her, um den Mann zu finden, der sich als Erster bewegte oder auch nur den Anschein erweckte, als wollte er sich in nächster Zukunft von der Stelle rühren. »Ich bin Polizist! Nicht immer der beste oder schlauste, aber ich bin Polizist, und der Mann in meinem Gefängnis ist mein Gefangener, den ich bis zum Tode verteidigen werde. Und wenn es der Tod einiger dieser Lumpen sein sollte, die sich mit Armbrüsten vor meine alte Mutter stellen, obwohl sie nicht damit umgehen können, dann ist mir das auch egal!« Er senkte die Stimme etwas. »Ich kenne euch alle, wie ihr hier steht, genau wie mein Vater und mein Großvater euch kannten – zumindest einige von euch –, und ich weiß, dass ihr gar nicht mal so übel seid und –«
Er brach mitten im Satz ab und kniff die Augen zusammen. »Was haben Sie denn hier verloren, Herr Steiner? So nah an einer aufgebrachten Meute? Haben Sie ein paar Taschen klimpern lassen?«
»Diese Aussage ist justiziabel, junger Mann«, antwortete Steiner.
Mumm ging unauffällig zu Steiner hinüber und flüsterte: »Ich würde nicht behaupten, dass Sie Ihr Glück über die Maßen strapazieren, Herr Steiner, denn Ihr Glück hat Sie in dem Augenblick verlassen, in dem Sie mich erblickt haben.« Er pochte sich bedächtig mit dem Finger seitlich an die Nase. »Wenn ich Ihnen einen Hinweis geben darf: Ich habe auch sehr große Füße.«
Ohne etwas davon mitbekommen zu haben, fuhr Volker fort: »Ich möchte, dass ihr alle wisst, dass vor ein paar Nächten dort oben auf dem Hügel ein Goblin-Mädchen in Stücke gehackt wurde, während sie um ihr Leben flehte. Das ist schlimm. Sehr schlimm! Und zwar, um nur einen Grund zu nennen, deshalb, weil jemand, der ein Goblin-Mädchen in Stücke hackt, ebenso gut auch eure Schwestern in Stücke hacken könnte. Und ich will meinem …«, Volker zögerte und sagte dann, » … meinem Kollegen, Kommandeur Mumm, dabei helfen, die Verantwortlichen der Gerechtigkeit zu übergeben. Aber das ist noch nicht alles, von wegen, das ist noch lange nicht alles, denn ich weiß genau wie ihr, dass vor drei Jahren ein ziemlich großer Haufen Goblins mitten in der Nacht zusammengetrieben und dann flussabwärts verschifft wurde. Mein armer alter Vater hat damals einfach weggeschaut, wie es von ihm verlangt wurde, aber mir wird das nicht passieren. Ich weiß nicht, ob jemand von euch bei dieser Aktion damals mitgeholfen hat, und momentan ist mir das auch ziemlich egal, denn ich weiß, dass die Leute hier im Allgemeinen das tun, was man ihnen sagt, obwohl einige das, was man ihnen sagt, lieber tun als andere.«
Volker ließ den Blick langsam von einem zum andern wandern, damit alle Anwesenden wussten, dass auch sie damit gemeint waren. »Und ich weiß noch etwas anderes! Ich weiß, dass gestern am späten Nachmittag, als wir bereits unterwegs nach Niednagel waren, eine Gruppe Goblins aus Überhang gefangen genommen und auf einem Ochsenschiff den Fluss hinab geschickt wurden, um –«
»Was! Warum haben Sie mir das nicht schon längst gesagt?«, rief Mumm.
Volker sah überhaupt nicht in seine Richtung, sondern hielt den Blick auf die Menge vor sich gerichtet. »Wann denn? Tut mir leid, Kommandeur, aber hier war ständig was los, und ich habe es selbst erst erfahren, kurz bevor dieser Mob hier ankam, und seither bin ich ziemlich beschäftigt gewesen. Das Schiff hat wahrscheinlich hier angelegt, als wir noch droben in Niednagel Fässer aufgestemmt haben. Diese Bande hier wollte, dass ich meinen … Euren … unseren Gefangenen herausgebe, und dann hat sich natürlich mein altes Muttchen eingemischt, und Ihr wisst ja, dass es immer knifflig wird, wenn eine alte Mutter ihr Finger mit im Spiel hat. Ich habe niemandem erlaubt, sich zu rühren, oder? «
Die letzten Worte waren an einen Mann gerichtet, der sich, die Hände auf den Unterleib gepresst, in höchster Not krümmte.
»Tut mir echt leid, Volker, äh, Hauptwachtmeister Aufstrich«, stöhnte
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