Steife Prise
Tätigkeit aus und bekam ein regelmäßiges Gehalt für eine regelmäßige Arbeit; dazu kam der Neid sämtlicher kleiner Jungs auf jedem Landungssteg. Sybil hatte ihm eines Abends mit ziemlicher Begeisterung alles über die Flusslotsen erzählt. Weshalb also würde ein Mann in einer so angesehenen Position ein so wertvolles Schiff mit einer so wertvollen Fracht in einer Nacht den Fluss hinunterschippern wollen, in der hinter jeder Flussbiegung die Vernichtung lauerte – obwohl niemand ihm einen Vorwurf daraus machen würde, wenn er irgendwo eine Weile festmachte, bis das Gröbste vorüber war?
Geld? Nein, dachte Mumm. Dieser Fluss wird der Trügerische genannt, und wenn man erst mal in seiner schlammigen Umarmung versank, half einem kein Geld der Welt wieder heraus. Abgesehen davon kannte Mumm solche Männer. Sie waren gemeinhin stolz, selbstbewusst und nicht bestechlich. Niemals würden sie ihr Schiff in Gefahr bringen, nicht einmal dann, wenn man ihnen ein Messer an den Hals setzte! Aber traditionellerweise fuhr auch die Familie mit auf den Flussschiffen; Lotsen arbeiteten immer von zu Hause aus, oder?
Was würde ein verzweifelter Lotse in diesem Falle tun? Was würde er tun, wenn jemand seiner Frau oder einem seiner Kinder ein Messer an den Hals hielt? Was blieb ihm in diesem Falle anderes übrig, als weiterzufahren und sich darauf zu verlassen, dass seine lebenslange Erfahrung am Ende alle in Sicherheit brachte? Und wahrscheinlich hatte er nicht nur einen unwillkommenen Gast an Bord, nein, denn dann würde er versuchen, das Schiff irgendwo auf Grund zu setzen, würde mit angespannten Muskeln die allgemeine Verwirrung nutzen, sich auf den gestrauchelten Mann stürzen und ihn mit bloßen Händen erwürgen. Aber das funktionierte nur, wenn der keine Verbündeten mitgebracht hatte. Also blieb er am Steuerrad stehen und hoffte und betete und erwartete jeden Augenblick das dumpfe Tosen des Verdammbruchs.
Volker rannte hinter Mumm auf der Uferböschung entlang. »Was wollen wir machen?«, stieß er keuchend hervor. »Was habt Ihr vor?«
Mumm ging überhaupt nicht auf ihn ein. Er hatte genug mit dem Regen, der brodelnden Gischt und den umgestürzten Baumstämmen zu tun und damit, die hintereinander aufgereihten Schleppkähne nicht aus den Augen zu verlieren. Momentan trieben sie in einem bestimmten Rhythmus auseinander und wieder zusammen, aber dieser Rhythmus wurde ständig von Treibholz und mutigen Steuerungsversuchen aus dem Ruderhaus unterbrochen. Jedes Mal, wenn der letzte Kahn gegen das Ufer stieß, gab es einen Moment, einen winzig kleinen Augenblick, in dem ein Mann vom Ufer aus an Bord springen könnte – vorausgesetzt, dieser Mann war dumm genug, so etwas überhaupt zu versuchen.
Also sprang er und erkannte, dass dieser Sprung unweigerlich einen weiteren Sprung nach sich zog und eine Fehleinschätzung des Rhythmus unweigerlich in einem Sturz in den Mahlstrom enden würde. Als er auf den nächsten Kahn sprang, der auf der Strömung tanzte und bockte, hoffte er nur, dass er nicht mit dem Fuß zwischen den beiden Kähnen stecken blieb, denn wenn zwei fünfundzwanzig Fuß lange Kähne zusammenkrachten und dein Fuß wie bei einem Sandwich dazwischengeriet, hatte das mehr als nur ein paar blaue Flecken zur Folge. Aber Stinky rannte und sprang und drehte seine Pirouetten direkt vor ihm, und Mumm kapierte die Botschaft schnell genug, landete direkt auf dem nächsten Kahn und hinter ihm, erstaunlicherweise, auch Volker, der sogar dabei lachte, obwohl man nicht weiter als auf Armeslänge von ihm entfernt sein durfte, um es zu hören.
»Sehr gut, Kommandeur! Das haben wir als kleine Jungs immer gemacht … Alle Jungs haben das gemacht … Und die großen Schiffe waren immer die besten …«
Mumm war nach den ersten beiden Sprüngen wieder zu Atem gekommen. Nach allem, was Volker ihm gesagt hatte, war die Dicke Ditte ein Frachter, groß und träge, und konnte daher so gut wie jede Ladung ziehen. In diesen Kähnen konnte sich also so gut wie alles befinden, dachte er, aber bis jetzt hatte er noch keinen Goblin-Geruch wahrgenommen. Sie hatten noch zwei Kähne vor sich, und das Wetter schien noch schlimmer zu werden.
Jetzt tauchte auch Stinky wieder auf, der allem Anschein nach ganz nach Belieben kommen und gehen konnte, ohne dass ihn jemand kommen oder gehen sah. Er glomm immer noch ganz schwach. Mumm musste in die Hocke gehen, um mit ihm zu sprechen. »Wo sind sie, Stinky?«
Der Goblin furzte, wie jeder gute
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