Steife Prise
Armbrust reichte für die ganze Woche. Und irgendwo, wo ihn Mumm nicht sehen konnte – und damit auch sonst niemand –, war auch Willikins mit von der Partie. Man hatte sich das idyllische Bild also eher so vorzustellen: Papa machte einen Spaziergang mit seinem Söhnchen, aber in Begleitung von so viel Feuerkraft, dass man damit eine kleine Armee auslöschen konnte. Sybil hatte darauf bestanden, und damit basta. Dass Mumm selbst sich in Gefahr begab, hatte Sybil von Anfang an akzeptiert – aber Klein-Sam? Niemals!
Sie spazierten den Galgenberg hinauf, um sich den neuen Klackerturm anzusehen. Mumm sagte sich, dass Straßfurt keinen Bogen benutzen würde. Ein Bogen erfüllte seinen Zweck, aber ein echter Killer … Nein, ein Killer wollte nah dran sein, so nah, dass er alles sehen konnte. Straßfurt hatte das Goblin-Mädchen umgebracht, und er hatte sie immer noch weiter umgebracht, als sie längst tot war. Er gehörte zu der Sorte, die so etwas ausgiebig genießen wollte. Er würde wollen, dass Mumm genau wusste, wer ihn umbrachte. Mumm musste sich eingestehen, dass er solche Killer nur zu gut kannte – viel zu gut für seinen eigenen Seelenfrieden.
Als sie oben auf dem Hügel ankamen, begrüßte sie ein grinsender Nobby, der auf eine ungewöhnlich elegante Art und Weise salutierte, aber auch ein wenig verlegen, denn er war nicht allein. Neben ihm saß eine junge Goblin-Frau. Nobby versuchte, sie eilig wegzuscheuchen, worauf sie, offensichtlich mit einigem Widerwillen, ein Stück weiter in einem minimalen Sicherheitsabstand stehen blieb und den Korporal von dort aus bewundernd ansah.
Mumm versuchte ein Grinsen zu unterdrücken, und setzte mit einiger Mühe eine strenge Miene auf.
»Fraternisierung mit Eingeborenen, Nobby?«
Klein-Sam spazierte zu dem Goblin-Mädchen hinüber und nahm sie an der Hand, was er bei jedem weiblichen Wesen machte, dem er begegnete; eine Angewohnheit, die, wie sein Vater überlegte, ihm im späteren Leben wahrscheinlich noch viele Türen öffnen würde. Das Mädchen versuchte, sich seinem Griff sanft zu entziehen, aber Klein-Sam konnte sehr entschlossen festhalten.
Nobby machte ein beschämtes Gesicht. »Ich hab nicht mit ihr fraternisiert, Herr Mumm, sie will mit mir fraternisieren! Sie ist mit dem Körbchen voller Pilze angekommen und hat sie mir gegeben, ehrlich!«
»Bist du sicher, dass sie nicht giftig sind?«
Nobby sah ihn völlig ausdruckslos an. »Keine Ahnung, Herr Mumm. Ich hab sie einfach gefuttert, sehr lecker, sehr knusprig, leicht nussig, könnte man sagen, und Fred ist jetzt auch hier, Chef. Diese junge Dame« – und zu Mumms Verwunderung und Freude setzte Nobby das Wort Dame nicht in Anführungszeichen – »ist direkt auf ihn zu und hat ihm diesen komischen schimmernden Topf aus der Hand genommen. Was ja echt ’n Ding ist, weil das sonst keiner geschafft hat, und hastenichgesehn – auf einmal war er wieder ganz normal, der Fred! Allerdings sollten wir ihn vielleicht daran erinnern, dass er sich waschen soll und dass er seine Geschäfte wieder auf dem Klo verrichtet und so weiter.«
Mumm gab auf. Es stimmte, dass jede Organisation ihr Rückgrat haben musste, deshalb leuchtete es ein, dass es auch jemanden geben musste, der den Teilen entsprach, die normalerweise als Hundefutter dienten. Aber Nobby war loyal und vom Glück verwöhnt, und wenn es etwas gab, das ein Polizist wirklich dringend brauchte, dann war es Glück. Vielleicht war Nobby mit seinem Mädel ja auf der ganzen Linie und in jeder Hinsicht und überhaupt glücklich geworden.
»Was machst du hier oben, Nobby?«, fragte er.
Nobby sah Mumm an, als wäre er verrückt, und zeigte auf den wackligen, provisorischen Klackerturm. »Ich kontrolliere die Klackernachrichten, Herr Mumm. Toni, der als Einziger hier stationiert ist, tippt sie sozusagen ab, wickelt sie in einen Stein, und dann schmeißt er sie runter, egal was –« Etwas schlug scheppernd auf Nobbys Helm, und er fing geschickt einen mit Papier umwickelten Stein auf, ehe er zu Boden fiel. »Genau deshalb stehe ich hier, Herr Mumm.« Nobby rollte den Papierstreifen auf und las laut vor: »Eine Doppelkabine und eine Einzelkabine auf der Roberta E. Biskuit, Abfahrt 9 Uhr morgen früh! Da haben Sie aber Glück, Herr Mumm. Ha, was würden wir bloß ohne Klacker anfangen?«
Von oben ertönte ein Ruf: »Zurücktreten, Mann kommt nach unten!« Mumm sah, wie der gesamte Klackerturm heftig zu wackeln anfing, während der junge Mann von einer Querstrebe
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