Steife Prise
immer viel zu leicht gefallen ist, bis er schließlich davon überzeugt war, dass alle anderen keine echten Personen mehr sind, so wie er selbst, und wenn man erst einmal so weit ist, dann ist auch kein Verbrechen mehr groß genug, stimmt’s? Es gab kein Verbrechen mehr, das Sie nicht begehen würden. Vielleicht denken Sie darüber nach, dass Lord Rust, Ihr Auftraggeber, mit großer Wahrscheinlichkeit davonkommt, während Sie am Galgen enden. Haben Sie wirklich geglaubt, dass er Sie deckt?«
Der mit dem Gesicht nach unten liegende Straßfurt murmelte etwas.
»Tut mir leid, das habe ich nicht verstanden.«
»Kronzeuge!«, stieß Straßfurt hervor.
Mumm schüttelte den Kopf, obwohl Straßfurt es nicht sehen konnte. »Herr Straßfurt, Sie werden hängen, egal, was Sie sagen. Ich feilsche nicht mit Ihnen. Und Ihnen dürfte klar sein, dass Sie nichts zum Feilschen haben. So einfach ist das.«
»Der Teufel soll ihn holen!«, grunzte Straßfurt auf dem Boden. »Ich sag’s Ihnen trotzdem! Ich hasse diesen schmierigen Lackaffen! Was soll ich Ihnen sagen?«
Es war gut, dass er Mumms Gesicht nicht sah, und Mumm sagte einfach nur: »Lord Vetinari hört sich bestimmt gerne alles an, was Sie ihm zu sagen haben. Er ist ein ziemlich launenhafter Mensch, und ich könnte mir denken, dass es gewisse Unterschiede zwischen Hängen und Hängen gibt.«
»Alle haben diesen verdammten Cocktail getrunken!«, stieß Straßfurt keuchend hervor. »Ich hab’s doch gesehen! Sie haben sogar drei getrunken, und alle sagen, dass Sie ein Säufer sind!«
Die Tür ging auf, und mit dem wenigen Licht fiel auch ein Lachen herein. »Seine Gnaden hat, ohne dem Kommandeur zu nahe treten zu wollen, einen, wie Sie es vielleicht nennen würden, eher harmlosen Virgin Sam Mumm getrunken«, sagte Willikins. »Ingwer und Chili, ein Spritzer Gurkensaft und viel Kokosnussmilch.«
»War sehr lecker«, sagte Mumm. »Nimm den Kerl mit, Willikins, und wenn er irgendwelche Tricks versucht, weißt du ja, was zu tun ist – du wusstest ja schon, was zu tun ist, als du auf die Welt gekommen bist.«
»Vielen Dank für das Kompliment, Kommandeur«, erwiderte Willikins dienstbeflissen.
Und Sam Mumm brachte seine Ferien in Quirm zu Ende.
Natürlich bestanden sie nicht nur aus Vergnügen, allein schon der Klacker wegen, über die immer wieder Nachrichten ankamen wie: »Ich möchte Sie nicht groß stören, und es dauert auch nur einen Moment …«
Sehr viele Leute wollten Sam Mumm nicht groß stören, aber mittels einer gehörigen Portion Willensanstrengung gelang es ihnen, ihren Widerwillen zu besiegen und es trotzdem zu tun. Eine der Nachrichten, die nicht den Hauch einer Entschuldigung enthielten, kam von Lord Vetinari und lautete: »Darüber müssen wir noch reden.«
Am gleichen Morgen mietete Mumm ein kleines Boot mitsamt Kapitän und verbrachte ein paar glückliche Stunden mit Klein-Sam. Sie sammelten Strandschnecken von den Felsen einer der vielen kleinen Inseln vor der Küste von Quirm, sammelten Treibholz, kochten die Schnecken und aßen sie mithilfe einer Nadel, wobei es darum ging, wer zuerst das wabbelige Häppchen aus seinem Gehäuse herausgepult hatte. Dazu gab es natürlich Schwarzbrot mit Butter und viel Salz und Essig, damit die Schnecken nach Salz und Essig und nicht nach Schnecken schmeckten, was eine Katastrophe gewesen wäre. 34
Während die Jungs unterwegs waren, veränderte Sybil die Welt auf ihre eigene bescheidene Art, indem sie in ihrer Wohnung am Tisch saß und in der adretten, fließenden Schrift, die man ihr als kleines Mädchen beigebracht hatte, nicht wenige Klackernachrichten verfasste. Eine ging an den Direktor des Königlichen Opernhauses, dem Ihre Ladyschaft als Hauptmäzenin zugetan war, eine andere an Lord Vetinari und drei weitere an den Sekretär des Niederen Königs der Zwerge, den Sekretär des Diamantenen Königs der Trolle und an den Sekretär von Lady Margolotta von Überwald, der Herrscherin aller dortigen oberirdischen Ländereien.
Und das war längst nicht alles. Kaum war das Dienstmädchen von der ersten Tour zum Hügel zurück, wurde sie mit den restlichen Nachrichten gleich noch einmal hinaufgeschickt. Lady Sybil war eine grimmige Briefschreiberin, und sollte an jenem Tag irgendeine wichtige Persönlichkeit auf der Ebene und weit darüber hinaus keinen Brief von Sybil bekommen haben, dann nur, weil ihr Name aus ihrem wunderhübsch gebundenen und stets penibel auf Vordermann gebrachten kleinen Schwarzen Büchlein
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