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Steife Prise

Steife Prise

Titel: Steife Prise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Gedränge auf den Straßen war heute noch quirliger als sonst. Derlei Ereignisse waren wichtig. Große politische Entscheidungen würden bei belegten Schnittchen erörtert, das Schicksal von Millionen und dergleichen Dinge höchstwahrscheinlich bei einer leisen Unterredung in irgendeiner Ecke besiegelt werden, und danach würde die Welt nicht mehr ganz die Alte sein, und wer’s nicht glaubte, würde es dann ja selbst sehen.
    Falls man nicht im Besitz einer Einladung mit Goldrand war, durfte man zu dieser Gelegenheit keinesfalls mit vornehmer Verspätung eintreffen, sonst würde man sich vornehm in den vornehmen hinteren Reihen drängen und sich ganz unvornehm den Hals verrenken müssen, um über die Köpfe der anderen hinwegzusehen.
    Gegen Sonnenuntergang machte es sich Mumm vor dem Kotter bequem und erwiderte glücklich den kollegialen Gruß des Lotsen eines kleinen Schiffes, das auf dem Fluss vorüberfuhr. Dann schlenderte er die Landstraße hinab bis zur Kneipe, wo er sich draußen auf eine Bank setzte. Er zog seine Schnupftabakdose heraus, betrachtete sie einen Moment und kam zu dem Schluss, dass ihm seine Sybil zu einem Anlass wie diesem wohl sicherlich eine Zigarre erlauben würde.
    Durch den Qualm des ersten, genüsslichen Zuges fiel sein Blick hinüber zum Dorfanger und dort besonders auf den aufgeschichteten Stapel, der aus kaputtem Weidengeflecht zu bestehen schien. Irgendwie sprach dieser Stoß zu ihm, rief ihm wortlos etwas zu, genau wie an dem Tag, als er ihn zum ersten Mal gesehen hatte. Nach ein paar weiteren nachdenklichen Zügen stand er auf und ging auf die Kneipentür zu. Jiminy stand unter dem frisch gemalten Schild, auf dem Zum wackeren Kommandeur stand, strahlte ihn an und genoss sein Glas Bier, das sich sogar der knauserigste Wirt tagtäglich gönnt, wenn er die Leitungen sauber macht. Es handelt sich dabei natürlich um abgestandenes Bier, aber Bier ist letztendlich nichts anderes als flüssiges Brot, oder? Und Brot kann ja nun wirklich nicht schaden.
    »Ihr seht ein wenig versonnen aus, Kommandeur«, sagte der Wirt. »Etwas nachdenklich, sozusagen?«
    Mumm nickte in Richtung des wackligen Holzstapels. »Wie wichtig ist das Zeug dort, mein Freund?«
    Der Wirt blickte zu dem schwankenden Gebilde hinüber, als interessierte es ihn herzlich wenig. »Ach, wisst Ihr, das sind nur alte Weidenhürden und Zaunstücke. Die werden dort jedes Jahr nach dem Schafmarkt aufgestapelt, damit sie nicht im Weg herumliegen. Eine Art Wahrzeichen, könnte man sagen, aber eigentlich eher nicht.«
    »Ach so«, sagte Mumm. Dann war es eigentlich eher nichts, aber es hatte trotzdem zu ihm gesprochen.
    Nachdem Mumm den Haufen eine Zeitlang angestarrt hatte, folgte er Jiminy in die Kneipe.
    »Wie viel Brandy haben Sie hier vorrätig?«
    »Wird nicht viel verlangt, aber ich würde mal sagen, fünf oder sechs Flaschen und ein kleines Fass.« Jiminy musterte Mumm eindringlich. Mumm kannte Jiminy als das, was er war: nicht mehr und nicht weniger als ein Mann, der genug wusste, um immer auf der Seite der Sieger zu stehen.
    Mumm paffte wieder an seiner Zigarre. »Legen Sie zwei für mich beiseite, ja? Und sorgen Sie dafür, dass ein gutes Bier angezapft ist, denn schon bald werden Sie hier jede Menge Gäste haben.«
    Der Wirt verzog sich sofort geschäftig nach drinnen, und Mumm starrte vor sich hin. Seine Gedanken waren ganz woanders und an vielen Orten gleichzeitig. Natürlich funktioniert es, sagte er sich. Jeder von ihnen hat eine Uhr, und ich weiß, dass sie sie synchronisiert haben, auch wenn sie synchronisieren nicht mal buchstabieren können. Es ist ein Einsatz wie jeder andere. Ich habe die meisten von ihnen ausgebildet, und ich denke mir, dass sie wissen, was sie zu antworten haben, wenn jemand zu ihnen sagt: »Weißt du, wer ich bin?« Nämlich: »Ja, und du bist festgenommen!« Er musste bei dem Gedanken lächeln, dass bei den Polizisten, die sie von der Stadt angefordert hatten, auch zwei Trolle waren, zwei Vampire, ein Werwolf und ein Zwerg. So was nennt man wahrscheinlich symbolisch, dachte er. Er zog die eigene Uhr wieder hervor, als auch schon die ersten Kandidaten für ein Feierabendbierchen eintrudelten. Ziemlich genau … jetzt.
    Rings um die Oper gab es einen ausgewachsenen Kutschenstau, als die Möchtegern-Gäste, die hochgestellten und die eher einfachen, ihre Karossen verließen, den restlichen Weg zu Fuß zurücklegten und sich durch die Meute, die ebenfalls Einlass begehrte, hindurchkämpften. Dabei

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