Steife Prise
…«
Damit schien er Erfolg zu haben, wenn auch nach wie vor Aggression in Jethros Gesicht und in der Luft rings um ihn herum schwelte. Den Mienen der anderen Männer nach zu urteilen, waren sie solche Auftritte durchaus gewöhnt. Nur ein schlechter Bulle konnte die Stimmung in einer Kneipe nicht lesen. Mumm hingegen hätte wahrscheinlich eine ganze historische Abhandlung darüber schreiben können, und zwar inklusive Fußnoten. Jede Gemeinde hat ihren Unruhestifter oder Irren oder selbsternannten Politiker. Normalerweise werden solche Gestalten toleriert, weil sie zur allgemeinen Belustigung beitragen; die Leute sagen »So ist er nun mal« oder dergleichen, die Luft reinigt sich selbst, und das Leben geht weiter. Jethro hingegen, der nun in der hintersten Ecke der Kneipe saß und sein Bier in den Pranken hielt wie ein Löwe seine Gazelle, dieser Jethro war in Mumms Lexikon der Risiken und Gefahren ein Mann, der jederzeit explodieren konnte. Selbstverständlich musste die Welt ab und zu mal in die Luft gejagt werden – solange es nicht dort geschah, wo Mumm gerade etwas trank.
Mumm stellte fest, dass sich die Kneipe weiter füllte, größtenteils mit anderen Söhnen der Ackerkrume, aber auch mit Leuten, die erwarten, als wahre Gentlemen angesprochen zu werden, ob sie nun solche waren oder nicht. Sie trugen farbenfrohe Hüte und weiße Hosen und redeten ununterbrochen.
Auch draußen herrschte reges Treiben, auf der Dorfstraße drängten sich Pferde und Wagen. Irgendwo wurde gehämmert, und jetzt bemannte beziehungsweise befraute Jiminys Frau die Bar, während ihr Mann mit seinem Tablett hin und her rannte. Jethro blieb in seiner Ecke, als wartete er auf den richtigen Augenblick, schleuderte gelegentlich Blicke wie Dolche um sich, manche auch wie Fäuste und, wenn Mumm auch nur in seine ungefähre Richtung schaute, sogar einige, die deutlich nach Stiefeltritten aussahen.
Mumm beschloss, lieber aus dem schmutzigen Kneipenfenster nach draußen zu schauen. Bedauerlicherweise war die Kneipe das, was man landläufig malerisch nannte, und deshalb mit diesen grässlichen Butzenscheiben ausgestattet, die zwar Licht hereinließen, aber nicht dafür gedacht waren, dass man hinausschaute, denn sie krümmten das Licht so unberechenbar, dass es fast zersprang. In einer Scheibe zeigte sich etwas, das womöglich ein Schaf war, aber eher wie ein weißer Wal aussah, bis es sich bewegte und zu einem Pilz wurde. Ein Mann ohne Kopf ging vorbei, bis er in der nächsten Scheibe einen riesigen Augapfel bekam. Klein-Sam wäre begeistert gewesen, aber sein Vater kam zu dem Schluss, dass er lieber auf eine mögliche Erblindung verzichtete, und trat hinaus in den Sonnenschein.
Ah, dachte er, ein Spielchen also.
Ach ja.
Mumm war nicht gerade scharf auf Spielchen, denn solche Spielchen zogen Menschenmengen an, und Menschenmengen zogen Arbeit für Polizisten an. Aber hier war er ja kein Polizist, oder? Es war ein eigenartiges Gefühl, also löste er sich von der Kneipentür und verwandelte sich in einen harmlosen Zuschauer. Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er zuletzt einer gewesen war. Er kam sich … verletzlich vor. Mumm schlenderte zum nächstbesten Mann hinüber, der Pflöcke in den Boden hämmerte, und fragte ihn: »Was ist denn hier los?« Als ihm auffiel, dass er den Polizistenton und nicht den des normalen Bürgers angeschlagen hatte, schob er rasch ein »Wenn ich fragen darf« hinterher.
Der Mann richtete sich auf. Er gehörte zu denen mit den bunten Hüten. »Haben Sie noch nie ein Krocket-Spiel gesehen? Das Spiel der Spiele!«
Herr Mumm, der Zivilist, versuchte nach besten Kräften, wie jemand auszusehen, der auf weitere diesbezügliche Informationen brannte. Dem enthusiastischen Grinsen seines Informanten nach zu urteilen, würde er jetzt gleich alles über Krocket-Regeln erfahren, ob er wollte oder nicht. Tja, dachte er, wenn man fragt …
»Auf den ersten Blick mag einem Krocket vielleicht wie jedes andere Ballspiel erscheinen, bei dem zwei Mannschaften gegeneinander antreten und versuchen, einen Ball per Hand oder Schläger oder mittels eines anderen Hilfsmittels in das Tor des Gegners zu bugsieren. Krocket hingegen wurde während eines Croquet-Spiels im Theologischen Kolleg St. Onan in Ham-am-Egg erfunden, als der Novize Norbert Krummvogel, der heutige Bischof von Quirm, seinen Holzschläger in beide Hände nahm und den Ball, statt ihn sanft anzutippen …«
Danach gab Mumm auf, und das nicht nur, weil die
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