Steife Prise
Nachmittag alles erlebt habe. Besonders interessiert hörte sie zu, als er erwähnte, eine Weile bei einem Krocket-Spiel zugeschaut zu haben.
»Ach, wird das immer noch gespielt? Das ist ja herrlich! Wie ist es gelaufen?«
Mumm legte Messer und Gabel auf den Tisch und richtete den Blick eine oder zwei nachdenkliche Sekunden zur Decke, dann antwortete er: »Na ja, ich habe mich ja zwischendurch eine Weile mit Lord Rust unterhalten, und dann musste ich auch los, wegen Klein-Sam, aber das Glück war wohl auf Seiten der Priester, denn ihr Stürmer schaffte es, durch einen gewitzten Einsatz des Picknickkorbes ein paar Bauern zu hügeln. Der Mann mit dem Hut hat mehrere Male Einspruch dagegen erhoben, weil er dabei seinen Schläger zerbrochen hat, und meiner Meinung nach war die Entscheidung des Hutmannes absolut korrekt, vor allem deshalb, weil die Bauern ein Falkenmanöver gespielt hatten.« Er holte tief Luft. »Als es wieder weiterging, hatten die Bauern immer noch nicht so richtig in ihr Spiel gefunden, bekamen dann aber eine kleine Atempause, als ein Schaf aufs Spielfeld spazierte und die Priester, in der Annahme, dass das Spiel dadurch unterbrochen würde, zu früh nachließen und Higgins Junior eine großartige Handsäge unter dem angreifenden Wiederkäufer hindurchfeuerte, woraufhin …«
An dieser Stelle unterbrach ihn Sybil, weil ihr auffiel, dass das Essen langsam kalt wurde: »Sam! Wie bist du denn so schnell zum Experten für das edle Krocket-Spiel geworden?«
Mumm nahm sein Besteck wieder auf und seufzte: »Bitte frag mich das nie wieder.« Dabei flüsterte eine leise Stimme in seinem Kopf: Lord Rust wollte mir einreden, dass es hier für mich nichts zu tun gäbe. Herrje, ich muss möglichst schnell herausfinden, worum es sich dabei handelt, was!
Er räusperte sich: »Sybil, hast du dir das Buch, das du mir zum Vorlesen für Klein-Sam gegeben hast, eigentlich einmal angesehen?«
»Aber ja, Liebster. Felizitas Kefer ist die bekannteste Kinderbuchautorin der Scheibe. Sie veröffentlicht schon seit vielen Jahren. Sie hat Melvin und die Eiterbeule geschrieben, außerdem Georg und der verzauberte Kopfkissenbezug, Das kleine Entchen, das sich für einen Elefanten hielt …«
»Hat sie auch ein Buch über einen Elefanten geschrieben, der sich für ein Entchen hielt?«
»Aber nein, Sam, das wäre gar zu lächerlich. Aber sie hat Daphne und die Nasenpopler geschrieben, und Gastons gewaltiges Problem hat ihr den Gladys H. Ferguson-Preis eingebracht – den hat sie übrigens schon fünf Mal verliehen bekommen. Sie bringt die Kinder zum Lesen, das ist doch erfreulich.«
»Schon«, erwiderte Mumm. »Aber sie lesen Bücher über Kaka und völlig verblödete kleine Entchen!«
»Sei nicht so prüde, Sam, das gehört doch auch zum Dasein dazu. Klein-Sam ist jetzt ein Junge vom Land, und ich bin sehr stolz auf ihn, und er mag Bücher. Mehr ist da nicht dabei! Fräulein Kefer finanziert auch Stipendien für das Internat für junge Damen in Quirm. Sie muss inzwischen recht wohlhabend sein. Ich habe gehört, dass sie sich Haus Apfelbaum gekauft hat. Man kann es von hier aus fast sehen, es liegt direkt am Berghang, und ich halte es für angebracht, dass wir sie zu uns einladen, natürlich nur, falls es dir nichts ausmacht.«
»Natürlich«, gab Mumm zurück, wobei sich sein Macht-mir-doch-nichts-aus ganz auf die Art und Weise bezog, in der die Frage seiner Gattin formuliert war – und auf die feinen Schwingungen, die ihm verrieten, dass Fräulein Kefers Besuch bereits eine unverrückbare Tatsache war.
Mumm schlief in dieser Nacht deutlich besser, was zum Teil daran lag, dass er spürte, dass irgendwo in dem Universum, das ihn hier umgab, ein Hinweis ungeduldig auf seine Entdeckung wartete. Seine Finger juckten bereits.
Am Morgen ging er mit Klein-Sam wie versprochen zum Reiten. Mumm konnte zwar reiten, verabscheute es aber. Nichtsdestotrotz sollte jeder Mann einmal im Leben die Erfahrung gemacht haben, vom Rücken eines Ponys auf den Kopf zu fallen, und wenn auch nur deshalb, um danach zu dem Schluss zu kommen, es nie wieder zu versuchen.
Der Rest des Tages verlief nicht so gut. Mumm, dessen Gedanken sich mit allerlei Vermutungen füllten, wurde bildlich gesprochen – aber eigentlich doch schon fast im wörtlichen Sinne – von Sybil zu einem Besuch bei ihrer Freundin Ariadne mitgeschleppt, der mit sechs Töchtern gesegneten Dame. Als er und Sybil in den kitschigen Salon geführt wurden, waren aber nur fünf davon
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