Steife Prise
verfügen nur über Steinwaffen. Das Mädchen ist regelrecht zerschnippelt worden, damit möglichst viel Blut fließt, so dass sogar der dümmste Bulle es nicht übersehen kann. Und sie war nach den Farben einer Blume benannt.«
Willikins stieß ein missbilligendes Geräusch aus. »Polizisten sollten nicht sentimental werden, das ist schlecht fürs Urteilsvermögen. Habt Ihr selbst gesagt. Ihr seid in eine widerwärtige Auseinandersetzung zwischen den Einheimischen geraten, und jetzt glaubt Ihr, Ihr könntet die Dinge zum Besseren wenden, wenn Ihr irgendjemandem eine ordentliche Tracht Prügel verpasst. Aber woher wollt Ihr wissen, wann Ihr aufhören sollt? Genau das habt Ihr gesagt. Ihr habt gesagt, einem Burschen eine ordentliche Abreibung verpassen ist eine Sache, aber sobald er Handschellen anhat, ist es nicht mehr rechtens.«
Zu Mumms Verwunderung klopfte ihm Willikins freundschaftlich auf die Schulter (denn wenn einem Willikins unfreundschaftlich auf die Schulter klopfte, merkte man das sofort).
»Ich rate Euch, morgen einfach frei zu nehmen, Kommandeur. Unten am See ist ein Bootshaus, und später könntet Ihr mit dem Kleinen in den Wald gehen, wo man, nach allem, was ich gehört habe, überall knietief in allen Sorten von Kaka steht. Der Kleine wird im siebten Kakahimmel sein! Er hat mir auch erzählt, dass er den stinkigen Schädelmann noch mal sehen will. Ich sage Euch, mit diesem Köpfchen dürfte der Kleine mal Erzkanzler der Unsichtbaren Universität werden, und zwar noch ehe er sechzig ist!«
Willikins musste Mumms Grimasse gesehen haben, denn er fuhr sogleich fort: »Warum so erstaunt, Herr Kommandeur? Vielleicht will er ja sogar Alchimist werden? Wäre doch möglich? Sagt jetzt nicht, Ihr möchtet, dass er Polizist wird – das wollt Ihr doch nicht tatsächlich, oder doch? Einem Zauberer versuchen die Leute wenigstens nicht ins Eingemachte zu treten. Man muss es zwar mit grässlichen Kreaturen aus höllischen Dimensionen aufnehmen, aber die haben keine Messer, außerdem wird man dafür ausgebildet. Es lohnt sich, darüber nachzudenken, Herr Kommandeur, denn der Kleine wächst wie Unkraut, und Ihr solltet ihn auf der richtigen Spur durchs Leben führen. Aber wenn Ihr mich jetzt entschuldigt, ich muss los und die Dienerschaft noch ein bisschen triezen.«
Willikins machte ein paar Schritte, dann blieb er noch einmal stehen: »Nehmt die Dinge so, wie sie sind, Kommandeur. Auch wenn Ihr Euch eine Zeitlang frei nehmt, werden die Schuldigen nicht weniger schuldig, die Toten nicht weniger tot – und Ihre Ladyschaft wird immerhin nicht versuchen, Euch mit einem Kleiderbügel zu enthaupten.«
Lady Sybils Teeempfang war gerade in Auflösung begriffen, als Mumm ins Haupthaus zurückkehrte. Er kratzte sich die Provinz von den Stiefeln und machte sich sofort auf den Weg zum herrschaftlichen Badezimmer des Anwesens.
Natürlich gab es überall mehr als genug Bäder – höchstwahrscheinlich mehr als in jeder Straße der meisten Viertel der großen Stadt, wo eine Zinkbadewanne, ein Krug und eine Schale – oder auch nichts von alldem – für die gewünschten oder auch notwendigen Waschungen genügen mussten … Dieses spezielle Bad war jedoch nach einem Entwurf des Verrückten Herbert Käsedick gebaut worden und erinnerte an das berühmte Badezimmer in der Unsichtbaren Universität, obwohl Letztere, hätte jenes ebenfalls der Verrückte Herbert entworfen, wohl eher die Obszöne Universität genannt worden wäre. Der Verrückte Herbert pflegte nämlich eine gesunde (oder vielleicht auch eher ungesunde) Zuneigung zum weiblichen Geschlecht, was sich in seinem Badezimmer zeigte, und zwar überdeutlich. Natürlich waren die weißen Marmorschönheiten mit Urnen und jeder Menge Weintrauben aus Marmor verziert, dazu hier und da einer der beliebten Schleier, die glücklicherweise überall die richtigen Stellen umwehten, damit aus Kunst nicht unversehens Pornographie wurde. Außerdem war es aller Wahrscheinlichkeit nach das einzige Badezimmer, dessen Wasserhähne mit heiß, kalt und Brandy beschriftet waren.
Dazu kamen die Fresken, die einen als leicht zu überredenden Mann dankbar daran denken ließen, dass es einen Hahn mit kaltem Wasser gab. Denn, um es ohne Umschweife zu benennen, diese Fresken verschleierten eher weniger als mehr, und dabei waren die hübschen Frauen nur die Spitze des Eisbergs. Es gab auch marmorne Gentlemen, bei denen es sich ganz eindeutig und ohne jeden Zweifel um Gentlemen handelte, auch bei
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