Steife Prise
abgesetzt und würde sich dort inkognito aufhalten, indem er sich nicht mehr Marquis von Fantailler nannte.«
»Ach ja«, erwiderte Mumm, »ich weiß auch noch, dass viele seiner guten Freunde wegen der Ermittlungen ziemlich empört waren! Sie meinten, er habe doch nur einen einzigen Mord begangen und dass es schließlich die Schuld seiner Frau sei, weil sie gleich nach dem ersten kleinen Messerstich gestorben sei!«
Lady Sybil drehte sich um, was – da sie eine üppig mit Anziehungskraft ausgestattete Frau war – zur Folge hatte, dass das Kissen, das Sam am nächsten lag, sich wie ein Rädchen in einem Getriebe sanft in die gegenläufige Richtung drehte, woraufhin Sam Mumm plötzlich auf dem Gesicht lag. Er kämpfte sich wieder an die Oberfläche und sagte: »Und Rust hat es gekauft? Normalerweise gibt der alte Knacker doch keinen müden Penny aus, wenn es nicht unbedingt sein muss.«
»Nein, er doch nicht. Gravid hat es gekauft.«
Mumm wurde etwas wacher. »Der Sohn? Der Verbrecher?«
»Ich glaube, die richtige Bezeichnung lautet Entrepreneur, Sam. Und wenn es dir nichts ausmacht, würde ich jetzt gerne schlafen.«
Sam Mumm wusste, dass er jetzt am besten überhaupt nichts mehr sagte, und ließ sich wieder in die Tiefe sinken, wobei ihm Worte wie Betrüger, durchtriebener Händler, einer, der mit einer soliden Brechstange zwischen Richtig und Falsch ansetzt, und mein und dein, Gauner, Finanzier und unberührbar … durch den Kopf gingen.
Dann kämpfte Mumm die Schlaflosigkeit erfolgreich nieder, wechselte geschmeidig in eine Welt voller Alpträume über, in der die Guten und die Bösen oft und ohne jede Vorwarnung die Hüte wechselten, und sah zu, dass er seine acht Stunden Schlaf bekam.
Am kommenden Morgen spazierte Mumm Hand in Hand mit seinem Sohn nachdenklich zum Haus von Fräulein Kefer, ohne zu wissen, was ihn dort erwartete. Er besaß kaum Erfahrung mit der literarischen Welt, denn die prosaische Welt war ihm Welt genug. Gerüchteweise hatte er gehört, dass Schriftsteller den ganzen Tag in Morgenmänteln herumliefen und dabei Champagner tranken. 17 Allerdings überdachte er seine Vorurteile noch einmal neu, als er sich seinem Ziel auf dem letzten vieler kleiner Landsträßchen näherte. Zum einen besaß Fräulein Kefers »Landhäuschen« einen Garten, der einem großen Bauernhof gut zu Gesicht gestanden hätte. Als er über den Zaun schaute, erblickte er reihenweise Gemüse und Beerenobst, außerdem jede Menge Obstbäume und etwas, bei dem es sich wahrscheinlich um einen Schweinestall handelte; dort stand sogar ein echtes, sehr professionell gezimmertes Außenklo mitsamt dem obligatorischen ausgesägten Halbmond in der Holztür. Daneben lag das aufgeschichtete Holz in Reichweite, damit man den Rückweg nie mit leeren Händen gehen musste. All das machte einen vernünftigen und soliden Eindruck, ganz und gar nicht das, was man von jemandem erwartete, der den ganzen Tag Wörter hin und her schiebt.
Einen Sekundenbruchteil nachdem er angeklopft hatte, machte Fräulein Kefer die Tür auf. Sie wirkte überhaupt nicht überrascht.
»Ich habe Sie erwartet, Euer Gnaden«, sagte sie, »oder sollte ich heute lieber Herr Polizist zu Ihnen sagen? Denn nach allem, was ich gehört habe, läuft es am Ende doch immer auf den Polizisten hinaus.« Dann wanderte ihr Blick nach unten. »Und das dürfte Klein-Sam sein.« Sie sah wieder den Vater an und sagte: »Manchmal bringen sie keinen einzigen Ton heraus, ich kenne das.«
»Ich habe jede Menge Kaka, weißt du?«, sagte Klein-Sam stolz. »Ich hebe sie in Marmeladengläsern auf, und ich habe ein Labor auf dem Klosett. Hast du Elefantenkaka? Die macht« – er legte eine kleine dramaturgische Pause ein – » Donnnggg! «
Einen kurzen Moment hatte Fräulein Kefer den leicht glasierten Ausdruck im Gesicht, den man oft bei Leuten sah, die Klein-Sams Bekanntschaft machten. »Sie müssen sehr stolz auf ihn sein«, sagte sie zu Sam.
Der stolze Vater antwortete: »Es ist nicht immer leicht, bei ihm auf dem Laufenden zu bleiben – so viel weiß ich schon.«
Fräulein Kefer führte die beiden aus der Diele in ein Zimmer, in dem Chintz eine gewichtige Rolle spielte, und zog Klein-Sam mit zu einem großen Schreibtisch. Sie öffnete eine Schublade und gab dem Jungen etwas, das wie ein kleines Buch aussah. »Das sind die gebundenen Probeabzüge von Spaß mit Ohrenschmalz. Wenn du willst, schreibe ich dir eine Widmung hinein.«
Klein-Sam nahm das Buch wie einen heiligen
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