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Steile Welt (German Edition)

Steile Welt (German Edition)

Titel: Steile Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stef Stauffer
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Wenn sich auch nur einer von zehn gegen einen Verkauf wehrt, können die anderen neun auch nichts machen. So sind sie nur dafür verantwortlich, dass es nicht zusammenstürzt und Nachbarhäuser beschädigt oder Menschen verletzt werden. Steht das Haus allein, auf dem Berg oder auf der Alp, so spielt das keine Rolle. Niemand ist dafür verantwortlich, dass ein Haus erhalten bleibt, dass das Land bewirtschaftet wird. Seit der Neuorganisation der Parzellen wurden jetzt zumindest die Besitzverhältnisse geklärt. Bis dahin gab es Liegenschaften und Ländereien, welche Personen gehörten, die schon längst gestorben waren. Nun hat man die Erben ermittelt. Dort, wo keine mehr gefunden wurden, übertrug man den Besitz einer Stiftung. Dort kann sich jetzt ein allfälliger Erbe melden oder einer, der Interesse an einem bestimmten Landstück hat. So sind jetzt zumindest die Verantwortlichkeiten geregelt.
    Eine ziemlich neue Gesetzgebung verbietet auch, aus alten Ställen Ferienhäuser zu bauen. Da haben wir hier im Tal ja noch Glück. Aus Platzgründen hat man Stall und Wohnbereich meistens in einem Haus vereint. Unten der Stall für die Tiere, oben die Küche und Schlafzimmer. Zuoberst, unter dem Dach, meist mit einem Zugang vom Hang her, der Heuschober. Wenn man also nachweisen kann, dass die erworbene Ruine einmal einen Kamin hatte, so gilt sie als ehemaliges Wohnhaus und darf somit wieder aufgebaut und bewohnt werden.
    Viele zusammengefallene Häuser stehen im Tal hinter der Grenze, auf der italienischen Seite. Wenn du dort in die Höhe steigst, findest du die schönsten Alpen in herrlichster Lage. Die aber sind schon längst verlassen. Denn diese zu erreichen, ist noch einmal viel umständlicher. Das sind alles Fusswege von Stunden. Solche Wege kann sich niemand mehr leisten. Da fehlt erstens die Zeit und zweitens der Ertrag, der bei der Bewirtschaftung abfällt. Der ist gleich null. Da müsste jemand dann schon ausschliesslich darauf aus sein, sich selbst zu versorgen. Aber auch dafür braucht man heutzutage ein Mindestmass an Geld. Dem rennt man hier dauernd hinterher.
    So bin ich halt auch immer damit beschäftigt und unterwegs. Das Tal zieht sich von einem Ort zum anderen, und man muss nehmen, was sich anbietet, egal, wo es grad ist. Ich fahre immerzu rauf und wieder runter, sollte überall gleichzeitig sein. Und dann gibt es wieder Zeiten, in denen man nicht gefragt ist. Der Winter ist immer lang. Der Sommer anstrengend. Da muss man schauen, dass genug hereinkommt, um das Jahr überstehen zu können. Im Winter ist es immer schwierig, selbst dann, wenn es Aufträge gäbe. Häufig kann man nicht bauen, weil es in der Nacht gefriert oder weil zu viel Schnee liegt. So muss man immer abwägen, was man annimmt und was nicht. Schauen, ob man genügend Kapazität hat, um etwas in der gewünschten Zeit fertig zu machen. Das dümmste ist, wenn die Auftraggeber unzufrieden werden. Weil etwas zu lange dauert oder nicht so gemacht wurde, wie sie es gemeint hatten. So ist man der Handlanger der Bauherren und muss es möglichst allen recht machen. Wie man weiss, ist das gar nicht möglich. Darum habe ich auch noch die Tiere. Weil ich eigentlich Bauer bin. Da bin ich mein eigener Herr und Meister und kann die Arbeit selber einteilen. Was dann aber wieder bedeutet, dass mir die Zeit für die Aufträge fehlt. Deshalb vor allem habe ich die Arbeiter angestellt. Damit wir an verschiedenen Orten gleichzeitig sein können.
    Was ich glaube: Wer nichts hat, braucht wenig, um glücklich zu sein. Und wer nichts zu verlieren hat, kann nur gewinnen. Ich bin schon zufrieden, wenn ich mir am Abend ein rechtes Essen leisten kann, mein Haus warm ist und ich gesund bin. Wenn es meinen Tieren gut geht und mein Auto fährt. Und wenn ich am Feierabend mein Bier oder ein Glas Wein bekomme. Viel mehr brauche ich doch gar nicht. Doch, eines, das wünsche ich mir manchmal: Einen ganzen Tag lang frei haben. Was ich damit anfangen würde? Das weiss ich jetzt gar nicht. Denn Herumsitzen ist auch nicht gerade das, was mir zusagt. Eine Reise machen? Ich wüsste nicht, wohin.»

binda
    An den Böschungen am Wegrand vereinzelte letzte Roggenbüschel. Zeugnis des einstigen und einzigen goldenen Zeitalters des hiesigen Lebens. Davon hat man gehört. Das Getreide, trocken und geknickt, verletzt in seinem Stolz, da es nichts mehr nützt, wächst hier, weil es von niemandem daran gehindert wird.
    Zu einer Zeit, an die sich niemand mehr erinnern kann, von der aber

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