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Steile Welt (German Edition)

Steile Welt (German Edition)

Titel: Steile Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stef Stauffer
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unseren Fluss umleiten. Uns das Wasser abgraben, sozusagen. Das Tal wäre ein ganz anderes geworden. Der Isorno bloss noch ein Rinnsal. Zum Glück fehlte auch dafür das Geld. Das ist erst gerade in letzter Zeit bekannt geworden. Aber hier sind alle froh darüber. Man hat sich lange Zeit Sorgen gemacht.
    Die gute Verbindung ins Tal ist etwas vom Wichtigsten hier. Darum wird die Strasse gut unterhalten und laufend verbessert. Man verbreitert die schmalsten Stellen und versucht, die gefährlichen Passagen zu entschärfen. Auch verstärkt man die Leitplanken. Bevor die alten Geländer angebracht worden waren, gab es noch überhaupt keinen Schutz vor dem Abstürzen. Da war die Strasse nur gesäumt von den Steinstelen. Man baut dort, wo es der Platz zulässt, Parkplätze. Die Autos, die an der Strasse abgestellt werden müssen, erschweren die Durchfahrt. Das soll nun minimiert werden.
    Dass wir mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erschlossen sind, ist ein weiterer wichtiger Punkt. Viele Leute scheuen die Anfahrt mit dem eigenen Auto, und die Bewohner des Tals, die selber kein Fahrzeug besitzen, sind auf das Postauto angewiesen. Es wäre fatal für uns, wenn diese Linie aufgegeben würde.
    Um die Interessen des Tals wahren zu können, ist es unumgänglich, dass alle am gleichen Strick ziehen. Es gilt, die gemeinsamen Anliegen zu definieren und ihre Durchsetzung in Angriff zu nehmen. Aus diesem Grund wurde auch der Zusammenschluss der einzelnen Gemeinden beschlossen. Auf diese Weise können diese zentral organisiert und verwaltet werden, was vermeiden hilft, dass Ungleichheiten innerhalb des Tals entstehen.
    Dass Vernetzung und Zusammenschluss ungeheuer wichtig sind und dass geballte Kräfte mehr erreichen können, war den Menschen hier bereits vor über hundert Jahren bewusst. Man kann von Glück reden, dass es immer welche gegeben hat, die sich für das Tal einsetzen wollten, statt abzuwandern. So wurde Anfang des letzten Jahrhunderts die Vereinigung Pro Onsernone gegründet. Den Ausschlag dazu gab sicher der Zusammenbruch der Strohindustrie, die ja das Einkommen von fast der ganzen Bevölkerung gesichert hatte. Dem folgte eine fortschreitende und unabwendbare Entvölkerung. Wer blieb, sah sich kritischen Lebensbedingungen gegenüber. Was blieb, war die Solidarität. Das ist eigentlich erstaunlich, wenn man von den Animositäten hier im Tal weiss. Von den Feindschaften, die es durchaus gab zwischen den grossen Familien, entstanden manchmal durch nichtige Zwistigkeiten oder durch den Neid, weil es manche zu mehr gebracht hatten als man selber, oder aus Gründen, die in der Familie selber nicht einmal mehr bekannt waren. Die kleineren oder grösseren Rivalitäten und Differenzen innerhalb der Familien oder der Dörfer wurden also tatsächlich in den Hintergrund gestellt, die politische Parteizugehörigkeit vernachlässigt. Der gemeinsame Nenner war die Verbundenheit mit der Heimat und der Wunsch, etwas zur Verbesserung der Situation zu unternehmen. Egal, ob man im Tal wohnte oder ausserhalb, jeder konnte sich der Verbindung anschliessen, sofern es ihm ein Anliegen war, sich mit seinen Möglichkeiten für das Wohl des Tals einzusetzen. So entstand eine der ersten und vielleicht sogar einzigen Institutionen öffentlichen Charakters, der es gelang, ideologische Meinungsverschiedenheiten zu überwinden und damit die Förderung des zivilen und materiellen Wachstums anzustreben. Die Vereinigung unterhielt verschiedene Abteilungen, beispielsweise der Kultur, der Landwirtschaft und Industrie, des Baus oder der Öffentlichkeitsarbeit. Natürlich wandelten sich die Bedürfnisse im Laufe der Zeit, und die Institution begann sich in den letzten dreissig Jahren vor allem im Bereich der Tourismusförderung zu engagieren, sodass beispielsweise die Kurtaxen zugunsten der örtlichen Kultur eingesetzt wurden oder das Netz der Wanderwege erweitert und unterhalten wurde. So hat das Tal heute eine eigene Zeitung, welche zweimal im Jahr erscheint, ein Museum mit einer dauernden Ausstellung, welche die Geschichte des Tals und seiner Bewohner aufzeigt, und einer wechselnden, die sich mit einem aktuellen Thema beschäftigt. Ausserdem verfügt unser Gebiet über unzählige Varianten von attraktiven Wanderungen. Im ersten Dorf am Taleingang kann sich der Reisende informieren, wo was zu finden ist.
    Kaum ein Dorf, das nicht mit einer Sehenswürdigkeit werben könnte, einer alten Kirche oder imposanten Brücke, mit einer Mühle oder bekannten

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