Steile Welt (German Edition)
einzeln aufzugeben. Und dann noch extra Zucker zu verlangen. Auch die Freundlichkeit muss man hier anscheinend kaufen, aber vermutlich ist die unbezahlbar. Ein Lächeln kostet ja nichts. Doch es bleibt, wo es herkommt. Als man im Kaffe rührt, kommt die Frage auf, ob die Tasse wohl bloss einfach schnell ausgewischt oder auch abgewaschen wurde. Auf ein Stück Kuchen verzichtet man somit. Was für ein schöner Ort, um Wandervögel und Ausflügler zu bewirten, vorausgesetzt, jemand würde sich die Mühe dazu machen. Eine vertane Chance, hat man das Gefühl. Doch dafür ist man schliesslich nicht hergefahren.
«Den Klang des Horns mag ich gern. Das hat noch so etwas Altmodisches. Erinnert mich an die eigene Kindheit. Ich finde, das hat noch so etwas richtig Schweizerisches, dieses Düdada. Darum lasse ich auch immer alle Töne erklingen. Man könnte das auch abkürzen, dass nur ein oder zwei Töne kommen. Aber das ist dann irgendwie nicht das Signal, wie es sich gehört. So kündigt man sich an und unterscheidet sich von den übrigen Fahrzeugen. Hier auf dieser Strecke ist jeder Verkehrsteilnehmer eine Herausforderung. Die Velofahrer sind bergwärts ein Hindernis, weil sie nur so langsam vorankommen und es wenige übersichtliche Stellen zum Überholen gibt. Manche halten kurz an und stellen sich ganz an den Rand. Da bin ich immer froh. Wenn sie talwärts sausen, gefährden sie vor allem sich selber, wenn sie mitten auf der Strasse um die Kurve kommen. Und das nicht gerade langsam. Das gibt Schuss, diese Abfahrt. Das macht sicher Spass, es ziehen lassen zu können nach der Anstrengung beim Hinauffahren. Aber leichtsinnig sollte man dabei dann nicht werden. Die Motorräder, das sind auch solche, die gern die Kurven schneiden. Am schlimmsten sind die Buben auf ihren Mofas oder Rollern. Die kennen keine Angst, wenn sie talwärts sausen. Da hatte schon manch einer Glück. Vielleicht haben die einfach noch eine bessere Reaktion oder einen Schutzengel mehr als wir Älteren.
Die Autos lässt man überholen, die kommen ja schneller voran. Das danken sie einem mit ihrer Hupe. Es gibt auch solche, vor allem Auswärtige, die winken ab, wenn man sie vorwinkt. Die sind froh um einen breiten Wegbereiter auf dieser unübersichtlichen Strasse. Es gibt ja solche, die wissen überhaupt nicht, was sie erwartet, wenn sie einen Ausflug hierher machen. Manche wenden bereits im ersten Dorf wieder und fahren zurück. Das wird wohl das Vernünftigste sein. Andere schleichen um die Kurven und sind dann völlig blockiert, wenn ihnen etwas entgegenkommt. Können nicht mehr vor oder zurück. Da kommt es dann vor, dass ich selber rückwärts fahre, um Platz zu machen. Einen Zusammenstoss hatte ich noch nie. Nur einmal, da ist einer rückwärts in die Leitplanke gefahren, weil er es nicht im Griff hatte. Da bin ich dann ausgestiegen und habe sein Auto zurückgesetzt, bevor noch etwas Schlimmeres passiert wäre. Am Schlimmsten sind wirklich die, die Angst haben. Die fahren dann so vorsichtig, aber eben auch unsicher, dass es schon wieder gefährlich ist. Mit den Lastwagen aus den Steinbrüchen ist es am mühsamsten. Die donnern bergab mit ihrer schweren Last, als kennten sie nichts. Die haben auch lange Bremswege, so schwer wie die sind. Da gibt es dann schon heikle Situationen. Man muss sein Fahrzeug gut im Griff haben. Rückwärts fahren können, auch um die Kurven. Und die Breite einschätzen können, den Blick dafür haben, ob es passt oder nicht. Wir hatten einmal ein Modell eines Postautos, das mit einem Signal anzeigte, wenn es eng wurde. Das hat auf der ganzen Strecke fast andauernd gepiepst, weil man ja immer nah an der Felswand, durch die Häuser oder am Geländer fährt. Das hat also nicht wirklich etwas gebracht. Zum Glück konnte man das auch ausschalten.
Am liebsten fahre ich Leute, die zum ersten Mal hierherkommen. Die sind dann wirklich beeindruckt von dieser Fahrt. Schon bei der ersten schmalen Brücke bleibt ihnen der Mund offen. Dann machen sie die Augen zu beim nächsten Ausweichmanöver. Die sind noch wirklich zu beeindrucken mit einer gewissen Fahrkunst. Das sind dann so die Momente, wo ich merke, was ich kann. Da bin ich dann manchmal sogar ein wenig stolz darauf.
Das Fahren, das muss man einfach im Gefühl haben. Mit Übung hat es auch zu tun, aber ebenfalls mit dem Auge für die Strasse. Wenn du neu anfängst mit dieser Strecke, dann fährt ein erfahrener Chauffeur einmal mit dir rauf und wieder runter. Von da an musst du es
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