Steile Welt (German Edition)
ja noch gut, sitzen sie doch bei der Arbeit meistens. Die Briefträger haben es da schon schwerer. Die tragen schwer an diesem Beinkleid. Dass es dasselbe Modell ist, bemerkt man ebenfalls an einer Haltestelle. Der Posthalter, welcher auch die Post verteilt, steht vor der Tür und wartet auf Kundschaft. Kleidsam auch nicht gerade der Stoff, aus dem die Hemden gemacht sind. Blassgelb steht den wenigsten. Nicht einmal, wenn sie sonnengebräunt und dunkelhaarig sind. Selbst blaue Augen kommen dazu nicht gut. Es ist verboten, mit dem Fahrer zu sprechen. Vermutlich soll die abschreckende Uniform das fehlende Schild ersetzen. Wie Wellensittiche sitzen die Chauffeure hoch zu Steuer. Kleider machen Leute. Die Sonnenbrille ist das Unterscheidungsmerkmal. Das Modell betont den Charakter.
Steil der Einstieg, in den Bus wie ins Gespräch. Ob die stillen, kurz angebundenen und schweigsamen Fahrer wirklich tiefer gründen, dieser Fragestellung hat man den heutigen Morgen gewidmet. Die Beschäftigung mit dem Piepston hat auf der Hinfahrt jeden Gesprächsansatz zunichtegemacht. Auf dem Rückweg nun dies. Der Bildschirm als Aufhänger. Ein Anfang ist gemacht. Man fährt mit bis zuletzt und spricht mutig eine Einladung zum Kaffee aus. Bier darf es ja nicht sein.
«Die Kasse, das ist unsere eigene. Wir müssen uns selber darum kümmern, dass wir genügend Wechselgeld dabei haben. Auch dass wir richtig einkassieren und herausgeben. Abgerechnet wird dann mit der Dienststelle. Und wenn es nicht übereinstimmt mit den ausgegebenen Tickets und Geld fehlt, zahlst du das aus dem eigenen Sack. Das ist wie im Service. Nur dass wir kein Trinkgeld erhalten. Aber alle bedanken sich beim Aussteigen. Das ist anders als auf einfacheren Strecken oder in der Stadt. Danke und auf Wiedersehen. Und einen schönen Tag noch. Die Leute schätzen einen zuverlässigen und umsichtigen Fahrer. Das spürt man in ihren Worten. Da kommt dann auch so etwas wie Wertschätzung zum Ausdruck für die Arbeit, die man macht. Man darf die Strecke nicht unterschätzen, auch wenn man sie schon hunderte Mal mehrmals am Tag gefahren ist. Es ist nie das Gleiche. Klar, man kennt die heiklen Stellen und weiss, wo besondere Vorsicht geboten ist. Aber überall kann dir einer blöd entgegenkommen oder ein Tier vor das Auto rennen. Die Rehe in der Brunft sind da manchmal recht kopflos. Darum rede ich auch nicht mit den Fahrgästen. Manche sagen ja, ich würde immer so ein strenges Gesicht machen. Das ist bloss, weil ich mich auf die Strasse konzentriere. Ich finde, das geht schlecht, wenn man plaudert und vielleicht noch Spässe macht. Auch ich bin ein lustiger Mensch und unterhalte mich gern. Das will ich hier schon auch sagen. Aber alles zu seiner Zeit. Im Auto bin ich bei der Arbeit, in der Freizeit bin ich gesellig. So ist das. Ich steige auch mal aus und helfe mit dem Gepäck, bin also nicht so ein unhöflicher Mensch, den es nicht kümmert, wenn die Fahrgäste nicht klarkommen. Nur sieht man mir das vielleicht nicht auf den ersten Blick an. Vielleicht wirke ich wirklich etwas zu streng. Aber ich bin nun mal mit dem nötigen Ernst bei der Sache. Nehme meine Verantwortung nicht auf die leichte Schulter. Ich gehöre auch zu denen, die lieber einmal mehr hupen vor der Kurve als einmal zu wenig. Das machen andere anders. Aber das muss jeder selber wissen. Die Sicherheit geht bei mir einfach vor. Nur wenn die Leute laut Musik hören in ihren Autos, dann nützt alles Hupen nichts, und du stehst Schnauze an Schnauze einander gegenüber, und einer muss zurückfahren. Es geht nun einmal nicht anders, als dass ich in den Kurven auf der Gegenfahrbahn ausholen muss. Sonst käme ich gar nicht um den Rank. Manche Autofahrer wissen das nicht und bleiben dann in der Kurve stehen, weil sie denken, da sei ja Platz genug zum Ausweichen.»
Auf dem Platz sitzt man auf ausgedientem Plastikmobiliar, am runden Tischchen unter dem Sonnenschirm. Stühle, Tische, Sonnenschirmständer und Blumentöpfe stehen so dicht, dass ein Durchkommen auch ohne weitere Gäste ein Problem ist. Die Kunst, sich hinzusetzen, ohne einen Stuhl umzuwerfen oder ein Tischtuch mitzureissen, lässt sich sicher noch verfeinern. Würde auch ins Auge gefasst, sofern diesem Besuch ein weiterer folgte. Doch schon bei der Bedienung wird das Ansinnen verworfen. Der Gang verrät jahrelange Übung. Schleppende Gemächlichkeit gepaart mit Unlust wird hier auf den Asphalt gelegt, dass es eine Herausforderung ist, nicht jede Bestellung
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