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Steile Welt (German Edition)

Steile Welt (German Edition)

Titel: Steile Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stef Stauffer
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Fahrstunde darf nicht unterbewertet und unkommentiert bleiben. Es kann sich dabei um eine unentgeltliche Lektion in Taldialekt handeln oder um allgemeine Betrachtungen über Wetter und Gemüse. Spannender noch sind die Unterhaltungen unter den Fremden. Das dann eher auf der Rückfahrt, die ja die Hinfahrt der Ankömmlinge ist. Die Aufschreie beim Queren der schmalen Brücke oder die Hände vor den Augen bei Ausweichmanövern. Der Fahrer demonstriert gelassene Geschicklichkeit. Eigentlich hätte er so manches Mal einen Applaus verdient. Zu hören ist aber nur das allgemeine Aufatmen. Schon die unterschiedlichen Varianten der Billettbestellungen sind erbaulich. Da gibt es die unbeirrbaren Unter oder Ausländer, die ganz selbstverständlich in ihrer Muttersprache ordern. Die Verständigung kann dann manchmal dauern. Nicht alle wollen in dem Moment Deutsch verstehen können. Dann gibt es die auswendig gelernten Standardsätze: Per Spruga, andata e ritorno, mezzo prezzo. Für beide, fragt der Chauffeur, natürlich auf Italienisch, weil ja hinter der Frau noch ein zugehöriger Mann steht. Jetzt ist ihr Latein am Ende. Nach dreimaligem Nachfragen und genauso viel Ratlosigkeit die Frage auf Schweizerdeutsch. Die Frau wendet sich nach hinten. Entrüstet: Da hätte man ja gleich von Anfang an ... Es ist ein Spiel um Grenzen und Zugehörigkeiten. Wer dabei keinen Spass versteht, hat bereits beim Eintritt ins Tal verspielt. Nicht verspielt, aber verloren die, welche ihren Kindern gegenüber von der bevorstehenden Wanderung vorschwärmen. Barfuss in Mokassins, mit Handtasche. Die wissen nicht, was auf sie zukommt.
    Am gegenüberliegenden Hang, kurz vor der finsteren Brücke, wird eine andere Strasse gesichtet. Die Frage, wo die wohl hinführen möge, beantwortet sich ein paar Minuten später bei der Weiterfahrt auf ebendieser. Es gibt nur eine einzige Strasse, und die verläuft im Zickzack um die Schluchten. Aha. Unkenntnis lässt schmunzeln.
    Man selber ist ja noch nicht wirklich ganz eingeweiht, aber auch nicht mehr ausgeschlossen. Zu Fuss auf der Strasse wird man vom Fahrer aus dem Postauto heraus gegrüsst, also wiedererkannt. Das ist immerhin etwas. Und man braucht zum Aussteigen nicht mehr den Knopf zu drücken. Man ist hier daheim. Und es ist bekannt. Womit man aus der Kategorie der Neulinge ausgeschieden und in die nächst höhere aufgestiegen ist. Wie die heisst, ist unbekannt. Auf jeden Fall einem selber.
    «Beim Fahren geht es immer vorwärts. Meistens wenigstens. Fahren ist Weiterkommen, bedeutet Fortschritt. Und der macht auch bei unseren Autos nicht halt. Es ist eine Frage der Bereitschaft, wie schnell man mit den neuen Dingen umgehen kann oder will. Mir macht das jetzt keine Mühe, mit diesem neuen Apparat. Früher hatte man die Strecken und Preise im Kopf, man musste nur die entsprechende Zahl eintippen, und schon wurde das passende Billett ausgedruckt. Hier am Bildschirm braucht es schon etwas länger, vor allem jetzt, am Anfang. Doch das wird sich geben. Hier wird mir angezeigt, wie ich drin bin in der Zeit. Das ist praktisch. Habe ich Verspätung, ist das weniger schlimm, als wenn ich zu früh dran bin. Dann leuchtet es hier rot auf. Dann weiss ich, dass ich langsamer fahren oder warten muss, irgendwo auf der Strecke. Für Reisende gibt es nichts Blöderes, als wenn sie rechtzeitig an der Haltestelle sind, und es kommt kein Bus. Weil er eben schon durch ist. Dann können die auf den nächsten warten. Und das kann dauern. Den Anschluss hat man dann verpasst. Bevor es diese neuen Apparate gab, konnte jeder behaupten, er sei nicht zu früh dran gewesen. Das liess sich nicht überprüfen. Man musste ja auch selber immer auf die Uhr schauen, ob man ungefähr in der Zeit war. Dieser Computer hier zeichnet nun die Fahrt auf, und so ist leicht nachweisbar, wer sich nicht an den Fahrplan hält. Mir kann das nur recht sein. Ich habe mich immer bemüht, pünktlich zu sein. Während andere die Strecke möglichst schnell hinter sich bringen wollten. Das ist nun vorbei. Diese Geräte lassen sich nicht austricksen, da muss man jetzt exakter fahren. Wobei, es kommt nicht oft vor, dass reklamiert wird.»
    Ein Grund zu einer Beschwerde würde einem da schon einfallen.
    Es gibt ja Hosen und Hosen. Aber die Schweizerische Post schafft es tatsächlich, jeden noch so knackigen Männerpo zum Hinweggucker zu degradieren. Das bemerkt man, sobald der Fahrer vom Sitz springt und an einer Haltestelle etwas abgibt oder abholt. Die haben es

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