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Steilufer

Steilufer

Titel: Steilufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ella Danz
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schon tot waren.
    »Ich kann dir sagen, dass dieser Mann noch jung war und wahrscheinlich aus dem Nahen Osten oder Nordafrika stammt. Tot ist er wahrscheinlich schon länger als 24 Stunden, wie lange genau, weiß ich erst morgen. Das Gesicht wurde mit großer Gewalt – Schläge mit einem harten, kantigen Gegenstand oder Tritte vielleicht – zerstört. Außerdem scheinen auch Vögel bereits am Werk gewesen zu sein. Ob er durch eine dieser massiven Kopfverletzungen gestorben ist oder ob es noch eine andere Todesursache gibt – das werde ich herausfinden. Ziemlich sicher bin ich, dass er nicht erst in dieser Nussschale so zugerichtet wurde.«
    Schmidt-Elm deutete zum Heck des Bootes.
    »Trotz des Spritzwassers und Regens sind hier an der Reling noch deutliche Blutspuren erkennbar und – vorausgesetzt, sie stammen nicht vom Täter – dann wurde unser Opfer wahrscheinlich über das Heck ins Boot geschleift.«
    Der Rechtsmediziner erhob sich und winkte die Fahrer heran, die schon mit dem Metallsarg etwas abseits bereitstanden.
    »Ich fahre jetzt ins Institut mit ihm, spätestens morgen habe ich mehr Einzelheiten für euch. Eines ist mir aber jetzt schon klar: Hier waren wahnsinnige Wut oder unbändiger Hass am Werk.«
    »Danke für deine Ausführungen, Steffen. Vielleicht sehen wir uns ja am Abend noch, ich habe bis vor einer halben Stunde nämlich in der Küche gestanden und ich hoffe doch, mich heute später noch zu meinen Gästen setzen zu können.«
    Der Rechtsmediziner war für Georg Angermüller nicht nur ein geschätzter Kollege, sondern sein engster und ältester Freund in Lübeck.
    »Ich sitze immer gerne bei dir am Tisch, Schorsch! Ich werde sehen, wie ich vorankomme. Wir telefonieren und vielleicht weiß ich dann ja schon mehr. Da kommt Ameise, der will euch sicher auch noch was erzählen. Bis später!«
    Der mit Ameise Bezeichnete war der Kollege Andreas Meise, ein kleiner, zierlicher Mann, seines Zeichens Kriminaltechniker und für seine akribische Arbeitsweise bekannt. Wenn er sich etwas davon versprach, konnte er den ganzen Strand höchstpersönlich mit den Händen umpflügen. Er kam über die großen Basaltblöcke behände auf sie zugesprungen.
    »Moin, Angermüller, moin, Jansen! Ist das nich schön, wie die Kleine da so im Sand buddelt? Der Strand ist an und für sich ja sauber, aber ich lass sie da man büschen üben.«
    Ameise streckte in einer anzüglichen Bewegung sein Hinterteil heraus und zeigte grienend auf eine Frau mit langem, blonden Zopf, die im weißen Schutzanzug ein paar Meter von ihnen entfernt am Strand hockte und konzentriert mit einer kleinen Harke Zentimeter um Zentimeter den Sand umgrub. Sofort tat sie Angermüller leid. Ausgerechnet Ameise, der seine mangelnde Körpergröße durch ein schmieriges Machogehabe auszugleichen suchte, musste die engagierte, junge Beamtin zugeteilt werden.
    »Hast du auch irgendwas Substanzielles zum Thema beizutragen?«, fragte Angermüller und musterte ihn kühl.
    »Schlechte Laune, Kollege?«, blaffte Ameise zurück und fuhr dann, als keine Reaktion kam, in sachlichem Ton fort:
    »Soweit ich das sehe, ist unsere Leiche auf dem Seeweg hierher gekommen. Der Strandabschnitt hier sah genauso jungfräulich aus wie die gesamte Umgebung. Keinerlei Schleif- und Kampfspuren, Blutreste oder sonstige Veränderungen. Und in dem Kahn ist kein Körnchen Sand. Selbst wenn die Tat schon mehr als 24 Stunden zurückliegt, hätte es hier noch deutliche Zeichen geben müssen. Wenn nicht am Strand, dann wenigstens Spuren auf diesen Steinen, so, wie der Junge geblutet haben muss – laut Angabe von Dr. Stefanie. Die Witterung der letzten Tage hätte die Spuren nicht komplett tilgen können. Aber wie gesagt, hier ist nix.«
    Angermüller versuchte, die primitive Anspielung auf Steffens Homosexualität zu ignorieren. Dieser Ameise war einfach ein widerlicher Mensch, fachlich allerdings ausgesprochen kompetent. Er fragte ihn knapp:
    »Sonst noch was?«
    Ameise deutete aufs Wasser.
    »Kann natürlich aus allen vier Himmelsrichtungen hier angetrieben sein, das Dinghi. Ich bin kein Wetterfrosch und weiß nix über die Windverhältnisse der letzten Tage. Kann ja überall herkommen, Timmendorf, Scharbeutz, Rostock, Schweden, durch den Kanal aus der Nordsee.«
    »Nu werd nich albern!«, murrte Jansen.
    »Weiß mans? Wir werden das nachprüfen. Irgendjemand wird das Schiffchen ja vermissen. Scheint ein Dinghi von einer größeren Jacht zu sein oder gewesen zu sein. Ganz verwaschen

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