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Steilufer

Steilufer

Titel: Steilufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ella Danz
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ist am Heck noch die Schrift zu erkennen: ›Tender to Mary‹ – was für ein entzückender Name für ein Boot. Diese Mary würde ich gerne mal kennenlernen.«
    Ameise griente genüsslich.
    »Und seht ihr hier den Tampen?«
    Er zeigte zum Bug des Bootes, wo ein kurzes Stück Leine in einer Öse hing.
    »Damit ist das Schiffchen gezogen worden und dann – zack – hat jemand die Leine gekappt. Ist ein sauberer, glatter Schnitt, wahrscheinlich mit einem scharfen Messer.«
    »Irgendwelche Papiere bei dem Toten?«, hakte Jansen ein. Ameise schüttelte den Kopf.
    »Natürlich nichts. Die Klamotten sind nach oberflächlicher Betrachtung typisch mitteleuropäische Massenware, aber wir werden die Etiketten und Fasern noch genauestens untersuchen. Interessant vielleicht noch: Dieses blaue Tau, das um den Mann gewickelt ist, ist ein ganz spezielles, das gibts nur bei Jachtausrüstern, wird für die Schoten bei Segelbooten verwendet. Besteht wahrscheinlich aus einer Polyestermischung. Tja, das wärs erst mal.«
    »Gut. Wir bleiben in Verbindung.«
    Angermüller wandte sich zum Gehen.
    »Eh ich es vergesse!«, er drehte sich noch einmal um.
    »Da du ja ohnehin keine sinnvolle Verwendung für Kriminalobermeisterin Kruse hast, nehmen wir sie dir ab. Kollege Niemann hat um Unterstützung bei den Akten gebeten.«
    Das stimmte so zwar nicht, doch Angermüller wusste, dass Anja Kruse und Thomas Niemann schon öfter mit Erfolg zusammengearbeitet hatten und er konnte sehen, wie sich die junge Frau über seinen Vorschlag freute.
    »Du hast doch nichts dagegen?«, fragte er Ameise.
    »Wenns euch Spaß macht. Kann ich ja verstehen, dass ihr auch mal so was Junges, Knackiges aus der Nähe betrachten wollt.«
     
    Auf dieser Seite des Elbe-Lübeck-Kanals lag eines der Industriegebiete der Stadt, unwirtlich und hässlich in seiner wilden Mischung aus Frei- und Nutzflächen, zweckmäßigen Gebäuden, Höfen, in denen am Wochenende bis auf geparkte LKW entweder Leere herrschte oder Industriemüll lagerte. Eine Ansiedlung, wie man sie nach getaner Arbeit nur zu gerne hinter sich lässt. Am anderen Ufer der Wasserstraße machte sich das dichte Grün der Kleingartenanlagen von St. Lorenz breit. Angermüller sah aus dem Fenster, wie heftige Windböen in kurzen Abständen über die Wasserfläche des Kanals rasten und sie sekundenlang aufwühlten. Unberechenbar, bedrohlich wirkte dieser Wind, den man hier oben um die Ecken toben hörte. Er musste an Astrid denken, die wahrscheinlich immer noch mit ihrem Kollegen in der Lübecker Bucht kreuzte, doch dies waren weder die Zeit noch der Ort, sich Grübeleien hinzugeben.
    Es war früher Samstagabend und die Männer und Frauen des Kommissariats 1, zuständig für Mord und Kapitaldelikte, saßen im siebten Stock des schmucklosen, olivbeigen Hochhauses zusammen, in dem die Polizeidirektion Schleswig-Holstein Süd residierte. Sie sortierten die bisher zusammengetragenen Fakten im Fall des Toten vom Steilufer. Allerdings war die Ausbeute noch ziemlich mager. Die zufällig vorbeikommenden Strandspaziergänger hatten alle nichts gesehen und gehört – wie sollten sie auch, wenn das Boot samt Inhalt höchstwahrscheinlich übers Wasser angetrieben worden war. So hielten sie sich erst einmal an Routineaufgaben fest wie Vermisstenmeldungen durchsuchen, Wetterverhältnisse erforschen und Diebstahlanzeigen von gestohlenen Booten überprüfen.
    Unter den eher leger gekleideten Kriminalbeamten fiel ein jüngerer Mann im gut sitzenden, anthrazitgrauen Dreiteiler auf, der sich jetzt zu Wort meldete. Es war Erik Lüthge, einer der beiden Kapitalstaatsanwälte für Mord und Leichensachen, so der offizielle Titel. In seiner Freizeit war er der klassischen Musik sehr zugetan und soeben direkt aus einem Empfang der Intendanz des Schleswig-Holstein Musik-Festivals hierher geeilt. Er äußerte seine Vermutung, wo man nach den Tätern suchen sollte; eine Vermutung, die bisher niemand ausgesprochen hatte, die aber wohl von jedem im Raum geteilt wurde: Ein Ausländer war auf brutale Weise ermordet worden – da war der Gedanke an rasierte Glatzen und deutschnationales Gegröle nur zu naheliegend. Auch bei Angermüller, der die Mordkommission leitete, hatten die entsprechenden Alarmglocken sofort geschrillt und er hatte, da der Behördenchef in Urlaub war, den Stellvertreter Walter Eckmann sofort informiert und ihn gebeten, die erste Sitzung zu leiten.
    Nervös klickte Eckmann mit der Mine seines Kugelschreibers und das sollte

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