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Steilufer

Steilufer

Titel: Steilufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ella Danz
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Dorfes, aus dem er stammte, gab es weit und breit kein schiffbares Gewässer. In seiner Kindheit war er höchstens ein paar Mal Tretboot gefahren. Astrid hatte schon als Mädchen von sechs Jahren mit dem Segeln begonnen, denn hier in Lübeck war das nichts Besonderes und er hatte ihre Vorfreude gespürt, als sie heute Morgen zu dem Törn mit ihren Kollegen aufgebrochen war.
    Ein Blick aus dem Fenster in den grauvioletten Himmel, wo sich regenschwere Wolkenberge zusammenzogen, bestätigte Angermüller, dass er sich momentan bestimmt im komfortableren Ambiente bewegte. Nur dass man sich im Monat Juli befand, war noch lange keine Garantie für sommerliches Wetter, schon gar nicht hier an der Küste. Zum Glück hatten sie heute Abend keine Gartenparty geplant. Die Genüsse aus den Mittelmeerländern, die er bereitet hatte, würden seine Freunde auch trotz der unwirtlichen Witterung in südliche Sphären versetzen. Zufrieden nahm Georg Angermüller eine irdene Schüssel aus dem Schrank, vermischte darin die gebratenen Auberginen und Paprika mit der pikant-fruchtigen, sämigen Sauce und streute mit großzügiger Hand noch geröstete Pinienkerne darüber. Gespannt probierte er einen Löffel seiner Variation der sizilianischen Caponata und schnalzte schließlich genüsslich mit der Zunge. Ja, das war gelungen. Jetzt noch ein paar Stunden in den Kühlschrank und das Gericht war perfekt.
    Scampi mit provenzalischer Aioli, Blätterteigtaschen mit griechischem Schafskäse, Tomatensalat mit Thunfisch und Zwiebeln, gorgonzolagefüllte Datteln mit Parmaschinken umhüllt, eine kräftige Tortilla aus Kartoffeln, Eiern und Chorizo, weiße Bohnen in Knoblauch-Tomatensauce, nicht zu vergessen die Caponata – dazu knuspriges Baguette, Oliven, eingelegte Tomaten – ob die Gäste dann noch Appetit auf seine hausgemachten Nudeln mit Steinpilzsauce haben würden? Egal. Den Teig hatte Georg Angermüller ohnehin schon fertig. Jetzt konnte er ihn auch noch schnell durch die Maschine drehen und notfalls die Nudeln aufbewahren, wenn kein Bedarf mehr bestand. Bei unzureichender Beleuchtung fischte er die schwere, selten benutzte Nudelmaschine aus der hintersten Ecke des Flurschrankes. Seit Monaten war eine Reparatur nötig, aber er vergaß es immer wieder. Durch das dramatische ›Nessun dorma‹ tönte das Telefonklingeln. Zum Glück wenigstens nicht sein Diensthandy. Er rappelte sich so schnell wie möglich hoch, was bei seinen fast zwei Metern Körpergröße in dieser Enge nicht ganz einfach war, stieß sich an den Kopf, eilte fluchend zur Anlage, um die Musik leiser zu stellen und hastete schließlich an den Apparat.
    »Hallo, Georg, ich bins! Kannst du mich hören?«
    Trotz des lauten Rauschens und Knatterns, das aus dem Hörer drang, hatte Georg Angermüller sofort Astrids Stimme erkannt.
    »Die Verbindung ist ziemlich schlecht, aber ich höre dich. Was ist los, Schatz? Alles in Ordnung?«
    Er hielt die Seefahrt bekanntermaßen für ein gefährliches Unterfangen und die Besorgnis in seiner Frage war nicht zu überhören.
    »Es geht mir gut – mach dir keine Sorgen! Ich wollte dir nur sagen, dass ich es nicht pünktlich zum Eintreffen unserer Gäste schaffen werde. Der Wind hat gedreht und es kachelt nicht schlecht. Wir müssen genau dagegen ankreuzen und zu zweit ist das eine ganz schöne Plackerei. Aber macht Spaß!«
    »Alles klar!«
    Gar nichts war klar. Wieso waren sie nur zu zweit auf dem Schiff? Er hatte verstanden, die neue Jacht eines Kollegen von Astrid sollte mit einer Crew aus Mitarbeitern ihrer Beratungsstelle die Jungfernfahrt antreten. Na ja, vielleicht hatte er nicht richtig zugehört, als Astrid davon erzählte.
    »Gut, dann weißt du Bescheid! Du hast doch nichts dagegen, wenn ich Martin mitbringe, oder? Dann lernst du ihn endlich mal kennen und aus Erfahrung weiß ich, dass bestimmt genug da ist an Essen und Trinken, wenn du dafür sorgst.«
    »Ja, ja, is scho Recht. Gute Fahrt noch!«
    »Mast- und Schotbruch heißt das! Bis heute Abend. Tschüss, Georg!«
    »Ade!«
    Langsam legte Angermüller den Hörer auf und kraulte gedankenverloren seinen dunklen Vollbart. Die spinnen, diese Segler. Sich Mast- und Schotbruch zu wünschen, dazu gehörte schon ein gesunder Galgenhumor – es war einfach nicht seine Welt. Und Astrid hatte sich ja keineswegs unglücklich angehört, im Gegenteil, der Kampf gegen die Elemente schien ihr Vergnügen zu bereiten. Er ging zurück zum Flurschrank, holte die Nudelmaschine heraus und begann

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