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Steilufer

Steilufer

Titel: Steilufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ella Danz
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wandte sich zum Gehen, da fiel ihm noch etwas ein:
    »Ach ja! Ich soll euch von unserem Leitenden grüßen! Ich habe ihn in seinem Kurort am Tegernsee angerufen und über die Lage informiert – er wollte das bei besonders wichtigen Fällen so haben. Ihr wisst ja, er ist eigentlich unverzichtbar hier. Ich soll euch auch etwas ausrichten. Wie lauteten doch noch seine Worte?« Der hagere Eckmann kratzte sich scheinbar ratlos am Kinn.
    »Ich erwarte zügige Aufklärung, meine Damen und Herren!«, antworteten mehrere Stimmen lahm und Jansen imitierte ein Gähnen.
    »Genau das war es!«, sagte Eckmann mit gespieltem Erstaunen. »Übrigens hat er schon zwei Kilo abgenommen und freut sich auf seine Rückkehr in zwei Wochen.«
     
    Wie so oft an Schlechtwettertagen im Sommer an der Küste wurden in den Abendstunden die wolkenfreien Abschnitte am Himmel immer zahlreicher. Tief im Westen konnte man noch den letzten Schein der untergegangenen Sonne ahnen, während die Stadt mit den sieben Türmen schon in einem unwirklichen Dämmerlicht lag. Jansen ließ den Audi zügig über die Kronsforder und dann die Hüxtertorallee rollen und Angermüller genoss den Blick auf die Hansestadt, die ihm nun schon seit fast 15 Jahren Heimat war. Er lebte gerne hier. Die Altstadt mit ihren prächtigen Bürgerhäusern aus den verschiedensten Stilepochen und den winzigen Gassen, die man hier Gänge nannte, den vielen Stiftshöfen und Kirchen war wie ein lebendiges Geschichtsbuch und bot, umgeben von Kanälen und Flüssen, immer wieder neue malerische Ausblicke. Natürlich gab es auch einige ziemlich hässliche Ecken, die sich hier und da unvorteilhaft in den Vordergrund schoben. Man brauchte ein bisschen Zeit, um den komplexen Reiz der alten Hansestadt zu entdecken und Georg Angermüller bedauerte, davon nicht mehr zu haben.
    Auch wenn die Stadtverwaltung immer wieder betonte, dass Lübeck eine moderne Großstadt sei – was von der Einwohnerzahl her durchaus berechtigt war-, im Alltag der Stadt war davon wenig zu spüren. Und das schätzte der aus Oberfranken Zugezogene besonders: Hier war das Leben noch gemächlich. In den von ihm bevorzugten kleinen Läden in der Hüxstraße war der Umgang verbindlich und persönlich und auch Taxifahrer und Amtspersonen waren in Lübeck selten so unwillig und schlecht gelaunt, wie er es in manchen deutschen Großstädten schon erlebt hatte. Die angeblich so kühlen Norddeutschen erwiesen sich als freundliche und hilfsbereite Menschen – von Angermüllers Schwiegermutter Johanna einmal abgesehen. Auf den ersten Blick war sie eine vornehme alte Dame, die vor allem ihre Heimatstadt über alles liebte und manchmal ein wenig zu neugierig war. Doch hinter dem verbindlichen Lächeln, mit dem sie ihre Fragen stellte, fällte sie mit gnadenloser Strenge ein unwiderrufliches Urteil über ihre Mitmenschen. Sie befand, wer würdig war, in ihre Lübsche Gesellschaft aufgenommen zu werden und wer nicht. Der Kriminalhauptkommissar Georg Angermüller gehörte in ihren Augen jedenfalls nicht dazu. Trotzdem hatte er ihre Tochter Astrid geheiratet, was sie bis heute nicht verwunden hatte.
    Während eines Praktikums bei der Kriminalinspektion in Lübeck hatte Angermüller die Neigung zu seinem Beruf entdeckt und da ihm die Ostseestadt gefiel, war er gleich dageblieben. So hatte er das Glück gehabt, Astrid kennen zu lernen. Natürlich hätte er mit seinem Jurastudium auch etwas anderes anfangen können und dass er dies nicht getan hatte – ›nichts aus sich gemacht hatte‹ –, nahm ihm Johanna bis heute übel. Doch wer war Johanna? Der Kommissar summte leise vor sich hin, als der Audi in die gepflasterte, kurze Straße einbog, die auf die Wakenitz zulief und in der sich die dreistöckigen Häuschen aus der Gründerzeit mit ihren kleinen Vorgärten eng aneinander schmiegten. Er war zu Hause.
    »Danke, Kollege – bis morgen!«
    »Da nich für – tschüss, Georg!«
    Jansen brauste mit dem Wagen davon und Angermüller sah ihm nach. Mit seinen 31 Jahren war Claus Jansen fast 10 Jahre jünger als Angermüller. Sie arbeiteten jetzt schon eine ganze Weile zusammen und er war ein unkomplizierter Kollege, engagiert, klar, mit einer guten Portion Humor. Grübeleien waren seine Sache nicht, aber er hatte klare moralische Vorstellungen und nahm seinen Beruf sportlich: so viele Punkte wie möglich machen, um die andere Seite zu schlagen. Privat liebte er schnelle Autos und seine Unabhängigkeit. Sein Handy hatte in immer kürzeren

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