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Steilufer

Steilufer

Titel: Steilufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ella Danz
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Hinweis.«
    Etwas abseits, auf einem ausgeblichenen Baumstamm, den das Meer wohl hier angespült hatte, saßen die zwei Frauen, notdürftig mit einer Plastikplane gegen die vom Himmel stäubende Nässe geschützt.
    »Guten Tag! Mein Name ist Angermüller, das ist Kommissar Jansen, Kripo Lübeck. Wir würden gerne mit Ihnen sprechen. Sie haben den Toten gefunden und die Polizei verständigt?«
    »Ja, das haben wir«, sagte die eleganter gekleidete, schlankere der beiden Damen. Sie sprach ruhig und gefasst, doch ihre Stimme zitterte und aus ihrem Blick auf die beiden Beamten sprach der blanke Vorwurf. »Wir sitzen schon über eine Stunde hier in Kälte und Regen, holen uns noch den Tod und kein Mensch kümmert sich um uns. Wir haben etwas ganz Schreckliches erlebt und bräuchten eigentlich psychologische Betreuung. Aber man lässt uns hier mutterseelenallein.«
    Das plötzlich aufflammende Blitzlicht des Polizeifotografen, der Aufnahmen am Fundort auf der Buhne machte, ließ sie erschrocken zusammenzucken und dann fiel ihre mühsam beherrschte Haltung in sich zusammen. Sie brach in Tränen aus und legte sich schützend die Hände vors Gesicht. Tröstend klopfte ihr die korpulente Frau in der leuchtend orangefarbenen Regenjacke, die neben ihr saß, auf den Rücken.
    »Ist gleich vorbei, Dodo! Jetzt sind die Herren ja da. Wir können bestimmt bald gehen, einen heißen Tee trinken und einen Happen essen. Du wirst sehen.«
    Ruckartig hob die eben noch Verzweifelte den Kopf und mit einer unerwarteten Aggressivität brach es aus ihr heraus:
    »Ich heiße Dorothea. Für nichts und niemanden bin ich Dodo, schon gar nicht für dich. Und jetzt schon wieder an Essen denken kann auch nur jemand mit dem Gemüt eines Fleischerhundes!«
    Gelassen nahm ihre Begleiterin diesen Ausbruch zur Kenntnis und sagte freundlich zu den Polizisten:
    »Stellen Sie Ihre Fragen und wir werden Ihnen helfen, so gut wir können. Je eher wir das hinter uns bringen, desto schneller sind wir zu Hause.«
    Zügig führten Angermüller und Jansen dann die Befragung durch und außer der Tatsache, wann und wie die beiden Spaziergängerinnen zufällig das Boot mit dem Toten entdeckt hatten und dass sie dann über das Handy eines vorbeikommenden Touristen die Polizei benachrichtigt hatten, erfuhren sie keine weiterführenden Neuigkeiten. Die Kommissare bedankten sich bei den beiden Frauen, ließen einen Kollegen die Personalien aufnehmen und veranlassten, dass sie mit einem Dienstwagen nach Hause gebracht wurden. Die orange gekleidete Dame schien zu bedauern, nicht weiter der Polizeiarbeit folgen zu können, während ihre elegante Begleiterin wie eine beleidigte Hoheit davon rauschte. Na ja, solche Menschen gab es eben auch, dachte Angermüller und versuchte, sich innerlich für den ihm noch bevorstehenden, schlimmsten Moment am Tatort zu wappnen.
     
    Was einmal das Gesicht eines Menschen gewesen war, glich einer riesigen, bräunlich-roten Wunde, die an der Stirn von dunklem, gelocktem Haar gerahmt wurde, das durch verkrustetes Blut verklebt war. Von den Augen waren nur noch die Höhlen übrig. Der Anblick ließ Angermüllers Magen rebellieren, doch er zwang sich trotzdem, genau hinzusehen. Auf dem Boden des kleinen Schlauchbootes, dessen eine Luftkammer schlaff in sich zusammengefallen war, stand vielleicht zwei Zentimeter hoch das Wasser. Es wies eine rotbraune Färbung auf und in dieser Lache lag eine männliche Gestalt, mit einem dicken, blauen Tau wie ein Paket verschnürt, in blauen Jeans und einem roten Sweatshirt, das zum Hals hin schwarz von dem bereits angetrockneten Blut war. Beide Hände waren zu Fäusten geballt. Ein Fuß steckte in einem weißen Sportschuh, der andere war barfuß. Auf den ersten Blick schien der übrige Körper des Toten unversehrt. Der oder die Täter hatten sich bei ihrem blutigen Geschäft ganz auf das Gesicht konzentriert.
    »Tach, Georg! Hallo, Jansen! Sehr unschön, das hier«, grüßte der Mann im Schutzanzug, der dicht neben dem Boot hockte und den Toten untersuchte.
    »Hallo, Steffen!«, erwiderte Angermüller.
    »Trotzdem gut, dich hier zu treffen! Gibt es schon etwas zu berichten?«
    Angermüller war wirklich froh, dass es Dr. Steffen von Schmidt-Elm war, mit dem er zusammenarbeiten musste. Er war einer der zuständigen Rechtsmediziner, hervorragend in seinem Fach und im Gegensatz zu manchem Kollegen ein feinfühliger Mensch, dem die Würde seiner Patienten ein achtenswertes Gut war – gleich ob sie noch lebten oder

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