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Steilufer

Steilufer

Titel: Steilufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ella Danz
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damit den wunderbar elastischen, gelbgoldenen Nudelteig in dünne, samtweiche Blätter zu walzen, aus denen die Maschine anschließend ebenmäßige, originalgetreue Tagliatelle schnitt.
    Zwischendurch stellte er die Musik wieder lauter und pfiff bei dem Gassenhauer ›Funiculi – Funicula‹ aus voller Kraft mit. Doch dieses leichtfüßige Schweben beim Schaffensakt seiner Köstlichkeiten und die Vorfreude darauf, wie sich die Freunde wohlig von seinen Kreationen verwöhnen lassen würden, wollten sich nicht wieder so richtig einstellen. Einem winzigen Sprung in einer Meißener Kostbarkeit gleich, störte etwas die Vollkommenheit seiner Stimmung. Doch er sollte nicht dazu kommen, der Ursache für diesen Misston auf den Grund gehen zu können. Gerade als er die letzte Portion Nudeln im Hartweizenmehl gewälzt und anschließend auf ein Küchentuch gebreitet hatte, erklang die Melodie seines Diensthandys.
     
    Weniger als eine halbe Stunde später stieg Hauptkommissar Angermüller aus dem silbergrauen Audi, der ihm und seinem Teamkollegen Claus Jansen als Dienstfahrzeug diente, seit Jansens aufgemotzter, schwarzer Rallyegolf vor ein paar Monaten gestohlen worden war. Man war den Dieben zwar bald auf die Spur gekommen, doch die jugendlichen Täter hatten noch in der Nacht des Diebstahls einen Totalschaden gebaut und anschließend das Fahrzeug in einem kleinen See versenkt. Eine gewisse klammheimliche Freude hatte sich Angermüller im ersten Moment nicht verkneifen können, litt er doch mitunter Höllenqualen wegen der halsbrecherischen Fahrweise des Kollegen in seiner hart gefederten, unbequemen Rennsemmel. Doch wenn er meinte, nun geruhsamere Dienstfahrten genießen zu können, hatte er sich getäuscht: Jansen, der Herzensbrecher, hatte über seinen Draht zu einer jungen Dame bei der Staatsanwaltschaft aus einer Beschlagnahme den Audi mit unvorstellbaren 335 PS unter der Motorhaube organisiert. Da Angermüller sich nur äußerst ungern selbst ans Steuer setzte, gestalteten sich die Dienstfahrten jetzt zwar wesentlich bequemer und luxuriöser – aber keineswegs in geruhsamerem Tempo.
    »Guter Wagen!«
    Jansen federte aus der Fahrertür, tätschelte anerkennend das Wagendach und meinte zufrieden:
    »Von Lübeck hierher ans Steilufer in knapp fünfzehn Minuten – das soll uns erst mal einer nachmachen.«
    »Na, hoffentlich macht uns das keiner nach. Die Kollegen von der Verkehrspolizei würden sich bedanken«, knurrte Angermüller, schüttelte seinen Kopf mit dem dicht gelockten, braunen Haar, das sich einfach nicht in eine adrette Form zwingen ließ, und versuchte, seine verspannten Schultern zu lockern.
    Eine ganze Reihe Autos, darunter zivile und Einsatzfahrzeuge, parkte am Rand des unbefestigten Feldweges, der zum Brodtener Ufer führte. Am Ende stand ein uniformierter Kollege, der ihnen den Weg durch ein kleines Wäldchen hinunter zum Strand zeigte. Heftiger Wind sprühte einen unangenehmen, feinen Regen in ihre Gesichter und die Rotoren der riesigen Windräder, die auf dem Feld neben ihnen gespenstisch in den dunkelgrauen Himmel wuchsen, arbeiteten auf Hochtouren. Ein merkwürdiges Rauschen ging von ihnen aus und erhöhte die Nervosität, die Georg Angermüller jedes Mal erfasste, wenn ihm der Anblick eines Mordopfers bevorstand.
    Dort wo eine Buhne ins Wasser ragte, lag ein Boot am Ufer. Der von Steinen und Treibgut übersäte Strand war hier sehr schmal und auf einer Länge von etwa 10 Metern komplett abgesperrt. Strandspaziergänger mussten über das Steilufer ausweichen, das an dieser Stelle seinem Namen keine Ehre machte, da es von Stürmen und Regen im Lauf der Zeit schon recht flach gewaschen worden war. Ein Häuflein Urlauber in wetterfester Kleidung harrte gaffend vor den rotweiß gestreiften Bändern aus – was sollte man bei diesem Wetter auch Besseres anfangen?
    Jansen und Angermüller nickten grüßend den Kollegen und Kolleginnen von der Kriminaltechnik zu, die in ihren weißen Anzügen dabei waren, die nähere Umgebung auf Spuren zu untersuchen. Eine uniformierte Beamtin kam auf sie zu, grüßte, zeigte zum Rand der Absperrung und erklärte dann:
    »Da sind die beiden Damen, die den Toten gefunden haben. Sie wollen ja sicher mit denen sprechen. Die sind inzwischen schon völlig durchgefroren.«
    »Na, dann wollen wir sie mal erlösen«, meinte Jansen.
    »Die eine, die Schlanke, hat die Geschichte sehr mitgenommen. Vorsicht!«, warnte die Polizistin noch. Angermüller nickte.
    »Danke für den

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