Steilufer
lange?«
»Rechne mit ungefähr 10 Tagen!«
»Was hilfts! Sollten wir bereits vorher den Fall geklärt haben – umso besser! Bei uns wird jedenfalls auf Hochtouren daran gearbeitet. Alle sind total nervös wegen des Wirbels, den ein toter Ausländer in Lübeck in den Medien auslösen kann. Und ich glaube kaum, dass sich jemand an unserer Privatinitiative stößt. Gerade unseren Chefs wird jedes Mittel recht sein, diesen Fall so schnell wie möglich zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen.«
Nachdem der letzte Gast gegangen war, verwandelte sich Astrids ausgelassene Fröhlichkeit mit einem Schlag in totale Müdigkeit und sie schleppte sich nur noch gähnend zwischen Tisch und Spülmaschine hin und her.
»Geh doch schlafen! Ich schaff das schon allein«, ermunterte Angermüller seine Frau.
»Ach, danke, das ist nett!«
Astrid legte ihre Arme um seinen Hals.
»Das war so schön heute – ich bin richtig glücklich.«
»Ja, das war mal wieder ein richtig netter Abend«, stimmte Angermüller zu.
»Das auch – aber ich meine vor allem den Tag auf der Ostsee! Guter Wind und ein schnelles Schiff und so ein toller Segler wie Martin – wir sind ein echt gutes Team!«
Und mehr zu sich selbst fügte sie hinzu: »Ich war ja völlig entwöhnt, so lange war ich nicht mehr auf dem Wasser.«
Angermüller spürte einen kleinen Stich bei dieser Bemerkung. Zum einen fühlte er sich schuldig, seiner Frau dieses Vergnügen nicht bieten zu können und zum anderen missfiel ihm der Gedanke, dass sie ausgerechnet mit diesem Martin wieder ihrem geliebten Hobby nachgehen konnte.
»Aber ich hole das jetzt alles nach! Morgen wollen wir einen Törn in Richtung Mecklenburgische Küste machen. Du müsstest dich allerdings um die Kinder kümmern und sie gegen 18 Uhr vom Bus abholen. Ich kann nämlich nicht sagen, wann ich zurückkomme.«
»Mmh. Ich weiß natürlich auch noch nicht, wie sich das morgen bei uns entwickelt«, murmelte Angermüller skeptisch.
»Dann musst du das eben organisieren!«
Astrid nahm ihre Arme von seinem Hals. Sie war plötzlich wieder ziemlich wach.
»Ich bin schon um neun mit Martin verabredet und mag so früh am Sonntag niemanden stören. Du wirst es wohl schaffen, jemanden von den anderen Eltern oder den Trainer zu bitten, sie hier abzuliefern, wenn du es selbst nicht schaffst.«
»Klar, das klappt schon«, beruhigte sie Angermüller, überrascht von ihrem gereizten Ton und setzte hinzu: »Das ist dir wohl sehr wichtig mit deinem Segeltörn?«
Er meinte das gar nicht kritisch, es erstaunte ihn nur die Leidenschaft, mit der sie um den morgigen Tag kämpfte. Doch offensichtlich war dies genau die falsche Frage.
»Was soll denn diese Frage? Alles, was du tust, ist immer enorm wichtig und alles muss sich dem unterordnen: Familie, Freizeit, unser ganzes Leben und wenn ich einmal an meinem wohlverdienten Wochenende etwas für mich selbst tun will, dann ist das zu viel verlangt?«
»Das habe ich überhaupt nicht damit sagen wollen.«
Angermüller versuchte, zu beschwichtigen:
»Es gibt wirklich keinen Grund zur Aufregung.«
»Stimmt.«
Auch Astrid wollte keinen Streit.
»Ich gehe segeln und du holst die Kinder ab. Ansonsten hast du was Besseres zu tun – wie immer!«
Betont munter gab sie ihrem Mann einen Kuss auf die Wange.
»Dann ist ja alles geregelt und ich kann beruhigt schlafen gehen.«
Sie wandte sich zum Gehen.
»Warte! Du bist doch viel zu müde, die Treppe hochzuklettern!«
Kurzerhand schulterte Angermüller seine Frau und trug sie die Treppe hoch ins obere Stockwerk. Es war ihm eine leichte Übung, denn trotz ihrer fast 40 Jahre und einer Zwillingsschwangerschaft hatte sich Astrid ihre knabenhafte Statur bewahrt. Er selbst war leider in der letzten Zeit ein wenig aus der Form geraten. Zusammen mit seiner Körpergröße und dem dunklen Vollbart wirkte er dadurch mehr und wie ein großer Bär. Immer wieder nahm er sich vor, etwas gegen sein Übergewicht zu unternehmen, das er auf das beruflich bedingte, häufig unregelmäßige Essen schob. In Wahrheit aber wusste er, dass ihm seine tiefe Leidenschaft für gutes Essen im Wege stand und immer wieder verhinderte, dass er sich maßvolle Zügel anlegte.
Als er Astrid auf die Bettkante absetzte, lächelte sie wieder.
»Danke, Schatz! Das hätte aber nicht nötig getan.«
Angermüller beugte sich zu ihr herunter und gab ihr einen Gutenachtkuss.
»Mach ich doch gern. Ich muss unten noch ein bissle aufräumen. Schlaf gut und
Weitere Kostenlose Bücher