Steilufer
schienen, wie zwei Außerirdische.
»Suchen Sie jemanden, sind Sie Gäste eines Clubmitglieds?«, fragte die energische Seniorin noch einmal.
»Guten Tag! Mein Name ist Jansen, Kommissar Jansen, das ist mein Kollege, Hauptkommissar Angermüller. Wir sind von der Kriminalpolizei Lübeck.« Sie zeigten ihre Ausweise.
»Wir brauchen ein paar Informationen über die in Ihrem Verein liegenden Boote. Sie haben doch hier bestimmt so was wie einen Hafenwart.«
Es war nicht so, dass diese Erklärungen einen erkennbaren Eindruck bei der Dame hinterließen, geschweige denn, sie freundlicher stimmten.
»Sicherlich haben wir hier einen Hafenmeister.«
»Wie heißt er?«
»Er heißt Henry Sievers. Warten Sie hier. Ich hole ihn.«
»Danke, nicht nötig! Wir werden ihn schon finden. Außerdem würden wir uns hier gerne noch ein wenig umschauen, wenn Sie nichts dagegen haben.«
Kaum merklich hob sie die Brauen.
»Bitte.«
Fremde, die nicht unter dem Schutz eines Vereinsmitgliedes standen, hatten in diesem exklusiven Club offensichtlich nichts zu suchen, selbst wenn sie von der Polizei waren. Angermüller und Jansen setzten ihren Weg fort. Zum Wasser hin lag eine große, asphaltierte Fläche, auf der fünf oder sechs Jachten auf Trailern oder Metallgerüsten standen. An einigen der Boote arbeiteten Leute mit Schleifgeräten oder Farbe und Pinsel. Ein paar Männer waren dabei, mit einem großen Kran, der direkt ans Ufer gebaut war, ein Schiff zu Wasser zu lassen. Drei Stege gingen aufs Wasser hinaus und so um die 25 Schiffe unterschiedlicher Form und Größe schaukelten daran, festgemacht in der Dünung. Etwa die Hälfte der Liegeplätze war leer, doch die an Land zurückgebliebenen Tampen zeigten an, dass in den meisten davon sonst auch Boote lagen.
Die Beamten betraten die Steganlage und suchten nach jener ›Mary‹, zu der mutmaßlich das am Strand angetriebene Schlauchboot gehörte. Die Namen, die ihnen begegneten, zeugten teils von der Romantik, teils vom Humor ihrer Besitzer oder aber auch von dem heiligen Ernst, mit dem manche die Seefahrerei betrieben. Da gab es eine ›Südseeprinzessin‹ neben einer ›Flotten Lotte‹ oder einem ›Luxusleiner‹ und eben auch eine ›Pride of the Baltic‹ sowie die unvermeidliche ›Poseidon‹, aber keine ›Mary‹. Eine große Jacht mit dem sehnsuchtsvollen Namen ›Shangri La‹ glitt majestätisch vor ihnen in einen Liegeplatz und die jungen Menschen in eleganter Sportkleidung, die auf dem Bug standen, sahen ihnen erwartungsvoll entgegen. Endlich kapierte Angermüller, dass sie auf die Übergabe der Festmacherleinen, die direkt vor seinen Füßen lagen, warteten. Er bückte sich nach der einen und Jansen tat es ihm nach und wie immer fühlte sich Georg Angermüller in diesem seemännischen Umfeld, dessen Sprache allein ihm schon fremd war, seltsam unbehaglich.
»Können Sie uns sagen, wo wir den Herrn Sievers finden?«, fragte Jansen die junge Frau an Bord der ›Shangri La‹, der er die Leine übergeben hatte. Sie strich sich das vom Wind zerzauste Haar aus dem Gesicht und schaute sich suchend um.
»Also, wenn er nicht hier draußen auf dem Gelände ist, versuchen Sie es doch mal in der Villa. Da hat er sein kleines Büro, gleich unten links.«
»Man dankt!«
Jansen tippte sich mit zwei Fingern salutierend an den Kopf und die beiden Beamten bewegten sich in Richtung Vereinshaus.
Es war Mittagszeit und trotz des kühlen Wetters waren einige Tische auf der Terrasse vor dem seeseitigen Eingang der Villa besetzt. Angermüller warf interessierte Blicke auf die Teller, die ein junges Mädchen den Leuten gerade servierte, und verspürte beim Anblick einer goldbraun gebratenen Scholle mit Kartoffelsalat sofort ein leichtes Hungergefühl.
»Tach, die Herren! Wollen Sie sich für unsere Regatta anmelden oder sind Sie dienstlich hier?«, erklang hinter den Polizisten eine sonore Stimme. Sie drehten sich um und Jansen winkte dem Mann, der von seinem Tisch auf der Terrasse aufgestanden war, und sagte leise zu seinem Kollegen:
»Der alte Burmester, der Schwätzer! Der hat mir gerade noch gefehlt!« Lauter rief er: „Moin, Doktor! Wir sind immer im Dienst, das wissen Sie doch!«, und sie setzten ohne stehen zu bleiben ihren Weg fort. Als sie im Treppenhaus der Villa standen, fragte Angermüller:
»Wer ist dieser Dr. Burmester?«
»Kennst du den etwa nicht? Ein Rechtsanwalt aus Lübeck. Hat sich aber schon stark aufs Altenteil zurückgezogen. Macht nicht mehr viel mit
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