Steilufer
Gentleman,
den man gemeinhin in Kreisen wie diesen vermutete. Während er sich das Zigarillo anzündete, musterte er den Kommissar sehr genau.
»Wir ermitteln in einem Mordfall und ob eines Ihrer Vereinsmitglieder damit etwas zu tun hat, wissen wir noch nicht«, erwiderte Angermüller. »Ihr Herr Sievers sagte uns, Sie könnten Auskunft geben, wer hier über welche Schlüssel verfügt, Zugang zum Gelände und den Gebäuden hat und so weiter.«
»Das ist richtig, das kann ich Ihnen sagen«, nickte Burmester hinter einer Rauchwolke.
»Alle ordentlichen Mitglieder haben einen Generalschlüssel für das Grundstück und das Vereinshaus. Für bestimmte Räume haben nur Vorstandsmitglieder einen Schlüssel, zum Beispiel das Vorstandsbüro oder unseren Trophäenraum, wie wir ihn nennen. Da bewahren wir wertvolle Pokale auf – die stammen zum Teil noch aus Kaisers Zeiten – und da lagert auch unser Archiv.«
»Was ist mit dem Bootsschuppen hinter der Villa?«
»Aha. Ist das der Ort des Verbrechens?«
»Auch das wissen wir noch nicht. Aber Sie helfen uns, es herauszufinden, wenn Sie mir sagen können, wie das mit den Schlüsseln für den Bootsschuppen ist«, wiederholte Angermüller freundlich seine Frage.
»Sie lassen sich nicht in die Karten gucken, was?«, stellte Burmester fest und es war ihm anzumerken, dass er gerne mehr gehört hätte, doch er sagte verständnisvoll:
»Aber Sie haben ja recht, junger Mann! Ich weiß gute Ermittlungsarbeit zu schätzen. Also: Für den Bootsschuppen bekommt einen Schlüssel, wer ihn haben will und selbstverständlich gibt es auch darüber eine Liste.«
Angermüller holte das Foto des Schlauchbootes hervor und legte es auf den Tisch.
»Das ist ja mein oller Tender! Das ist doch nicht etwa gestohlen worden, das olle Ding?«, rief Burmester überrascht aus, der sofort einen Blick darauf geworfen hatte.
»Das Schlauchboot gehört Ihnen?«
»Gehörte! Gehörte!«, stellte Burmester klar. »Und das ist schon lange her. Es war das Beiboot zu meiner ›Mary‹ und als ich die verkauft habe – das ist jetzt fast 10 Jahre her –, hatte der neue Besitzer keine Verwendung für den Tender und da habe ich ihn dem Verein für die Jugendgruppe überlassen. Man muss doch was tun für die jungen Leute, damit sie ihre Freizeit sinnvoll verbringen können. Sonst verlottert diese Generation doch völlig. Ist das nicht so?«
Er sah Angermüller Zustimmung heischend an und als dieser nicht reagierte, fragte er ungeduldig: »Was ist denn nun mit dem ›Tender to Mary‹ passiert?«
»Ich kann Ihnen nur sagen, dass das Boot aus dem Schuppen hier entwendet wurde und jetzt eine wichtige Rolle für unsere Ermittlungen spielt. Eine Frage: Wäre es wohl möglich, Kopien Ihrer Mitgliederlisten mit den Angaben zu den jeweiligen Schlüsseln zu bekommen?«
»Vom Wasser her kann man auch ohne Schlüssel auf das Grundstück gelangen – haben Sie daran gedacht oder haben Sie einen konkreten Anlass, das auszuschließen?«
Das hartnäckige Nachbohren des alten Herrn begann zu nerven und Angermüller sagte nur kurz und knapp: »Wir schließen zum jetzigen Zeitpunkt gar nichts aus und deshalb hätte ich auch gerne Ihre Aufstellung über die Schlüsselvergabe an die Mitglieder.«
Endlich hatte Burmester verstanden. Er erhob sich und klopfte Angermüller gönnerhaft auf die Schulter: »Na, ich will man nich so sein – auch wenn Sie so verschlossen sind wie eine Auster, Herr Kommissar, und einem alten Juristen nichts anvertrauen wollen! Kommen Sie mit ins Vorstandsbüro, da kriegen Sie alles, was Ihr Herz begehrt.«
Die Kollegen von der Spurensicherung kamen wenig später mit ihren Autos direkt auf das Grundstück gefahren. Ihr Eintreffen hatte unter den Seglern die mit Neugierde gepaarte Unruhe ausgelöst, die sie naturgemäß überall zu verursachen schienen. Einige Clubmitglieder blieben hartnäckig an den rotweißen Absperrbändern stehen, in der Annahme, einen Blick auf welche Verbrechensdetails auch immer erhaschen zu können. Und das, obwohl ihnen Ameise in seiner direkten Art mehrmals deutlich gesagt hatte, dass es hier weder eine Leiche noch ihre Einzelteile zu bestaunen geben würde.
Nachdem Angermüller und Jansen die Kriminaltechniker über den Bootsschuppen und das dort verschwundene Schlauchboot ins Bild gesetzt hatten, verließen sie den Segelverein. Da beide hungrig waren, versorgten sie sich an den Buden auf der Promenade noch mit Essbarem, bevor sie wieder in ihren Wagen stiegen.
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