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Steilufer

Steilufer

Titel: Steilufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ella Danz
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Jansen hätte seine Portion Gyros mit Pommes auch sofort an der Imbisstheke verzehrt, doch er kannte die Abneigung von Georg Angermüller, eine Mahlzeit stehend zu sich zu nehmen. Also packten sie die Tüten mit dem Essen ins Auto und Jansen steuerte einen außerhalb gelegenen Parkplatz am Strand an, der bei dieser kühlen Witterung wenig belebt war. Während er ohne Umstände sein Gyros aus der Folie wickelte, nicht darauf Acht gebend, dass Zaziki und Krautsalat auch mal auf seine Hose tropften, und sich zwischendurch mit den Fingern dicke Pommesbündel mit Mayo in den Mund schob, richtete Angermüller sich erst einmal ein: Eine Papierserviette legte er auf die Oberschenkel, packte die beiden Fischbrötchen – Bismarck und geräucherter Rollmops – mit Sorgfalt aus, die andere Papierserviette in der Hand. Erst jetzt konnte er seine Mahlzeit beginnen. Versonnen schaute er auf die aufgewühlte See, biss erwartungsvoll in das erste Brötchen und gab sich dann ganz dem Genuss hin. Er hatte nicht gleich an der erstbesten Bude gekauft, wo die Ware offensichtlich schon länger lag, der Fisch angetrocknet und das Brot durchgeweicht war. Erst bei einer alten Frau, die jedes Brötchen frisch aufschnitt und nach den Wünschen ihrer Kunden belegte, hatte er zugegriffen und war jetzt mit seiner Wahl sehr zufrieden.
    Heftige Böen zerrten am Wagen und brachten ihn zum Schaukeln. Der Wind war heute wieder sehr stark und er musste an Astrid auf ihrem Segelboot denken. Dabei fiel ihm ihr kleines Scharmützel in der letzten Nacht ein.
    Er hatte sich zwar vorgenommen, das Ganze nicht zu ernst zu nehmen, doch natürlich war ihm immer bewusst, dass die Unwägbarkeiten seines Berufes für ein verlässlich planbares Familienleben eine Belastung darstellten. Bei Fällen wie diesen zählte nicht Sonn- nicht Feiertag, nicht die späte Abendstunde. Da musste man einfach dranbleiben. Ab und zu zeichnete ja auch gleich bleibende Regelmäßigkeit seinen Berufsalltag aus, beruhigte er sich selbst, da war Astrids Sichtweise einfach nicht objektiv. Außerdem war es ungerecht, ihm die persönliche Verantwortung dafür zuschieben zu wollen. Sie wusste doch, dass er das nicht selbst in der Hand hatte. Warum hatte sie sich gestern plötzlich über eine Tatsache aufgeregt, mit der sie seit Jahren schon lebte?
    Ohne es zu bemerken, hatte er aufgehört zu essen und den Rest des zweiten Brötchens beiseite gelegt. Jansen, der seine Mahlzeit bereits beendet hatte, rülpste laut und vernehmlich.
    »Georg, was ist los? Keinen Appetit?«
    Irritiert sah Angermüller ihn an. Seine Gedanken drehten sich immer noch um die Vereinbarkeit seiner Tätigkeit mit einem geregelten Familienalltag, ein Thema, für das der bekennende Single Jansen sicherlich nicht der passende Gesprächspartner war.
    »Was? Ach so«, er sah auf das halbe Brötchen. »Ich glaube, ich bin satt. Magst du es noch haben?«
    »Nee, danke – glitschiger Fisch muss nicht sein.«
    Angermüller wickelte den Brötchenrest wieder in das Papier und steckte es in seine Jackentasche. Jansen griff nach hinten auf den Rücksitz und angelte sich die Listen mit den Namen der Clubmitglieder, die über einen oder mehrere Schlüssel für den Verein und seine Einrichtungen verfügten.
    »Das sind bestimmt an die 200 Namen von Leuten, die irgendwelche Schlüsselgewalt haben. Das wird ein Späßchen, die alle zu überprüfen!«
    »Wir geben die jetzt erst mal dem Kollegen Niemann und der lässt sie durch den Computer laufen – vielleicht ergeben sich da schon erste Anhaltspunkte«, sagte Angermüller ohne große Überzeugung.
     
    Kaffeegeruch hing im Raum, trotz geöffneter Fenster. Dieser Duft gehörte zu den Räumen der Mordkommission wie die hellgrün und beige gestrichenen Wände, die unbequemen Plastikschalenstühle und die schmucklosen, weißgrauen Resopaltische. Plakate mit lächelnden Männern und Frauen in perfekt sitzenden Uniformen – Relikte diverser realitätsferner Imagekampagnen für die Polizeiarbeit – zeugten von dem Versuch, dem kahlen Raum so etwas wie Atmosphäre zu verleihen. Doch weder die Plakate noch ein paar mickrige Topfpflanzen, die jemand auf den Fensterbänken verteilt hatte, konnten den schäbigen, abgenutzten Eindruck des sogenannten kleinen Konferenzraumes vertreiben.
    »Alle wieder frisch? Denn lasst uns mal die Fenster schließen«, forderte Angermüller die Kollegen auf, es ihm gleich zu tun. Nach zwei Stunden, in denen fast 20 Leute zusammengesessen und ihre Ergebnisse

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