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Steilufer

Steilufer

Titel: Steilufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ella Danz
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auf der gegenüberliegenden Längsseite des Hofes hinter der Villa, das Remise genannt wurde, war ein flacher, ebenerdiger Bau und in den 20er Jahren einmal ein Konzertpavillon gewesen. Irgendwann später wurde es als Geräteschuppen und Werkstatt ausgebaut. Da es solide gemauert und ziemlich geräumig war, hatte einer der Vorbesitzer es zu einem Wohnhaus für das Personal umgestaltet. Es war keine Luxusunterkunft, aber durchaus eine respektable Bleibe mit vier Zimmern, einer großen Küche und einem Badezimmer. Als Anna und Yann das Restaurant übernommen hatten, war Djaffar der Erste, der hier eingezogen war. Andere Mitbewohner waren hinzugekommen und wieder gegangen und seit Längerem wohnten nun auch schon Fouhad und Hadi in dieser Wohngemeinschaft. Vor drei Wochen war Omar eingezogen und er war es, mit dem sich Hadi gerade ein lautes Wortgefecht lieferte.
    Auch wer nicht des Arabischen mächtig war, konnte sofort erfassen, dass hier ein heftiger Streit im Gange war. Zwischen dem Neuen und der kleinen Gemeinschaft hatte es schon des Öfteren Probleme gegeben. Wahrscheinlich ging es wieder um das wenig gottgefällige Leben, das seine Mitbewohner nach Omars Auffassung führten. Er versuchte ständig, sie zu erziehen, kritisierte an ihnen herum und mischte sich in ihre Art zu leben ein. Das fing bei der Rai-Musik an, die sie so gerne hörten, und ging bis zu ihrer Kleidung. Er wollte ihnen vorschreiben, wie und wann sie zu beten und die Moschee zu besuchen hätten und all das führte dann immer wieder zu heißen Diskussionen. Djaffar versuchte, die beiden mit beruhigenden Worten zu trennen, doch es wollte ihm nicht gelingen. Im Gegenteil: Der schmächtige Hadi zitterte vor Erregung, ging plötzlich auf Omar los und packte ihn am Kragen seines weiten Umhangs.
    »Eh, les gars! Was ist los?«, rief Anna. Hadi zögerte einen Moment, doch dann ließ er seinen Gegner los, der voller Wut vor ihm ausspuckte und ihn mit einem ebenso giftigen wie abfälligen Blick fixierte. Hadi setzte zu einer wortreichen Erklärung an, während Omar stumm und finster mit verschränkten Armen danebenstand. Yann gab Anna ein Zeichen, dass er sich hier nicht einmischen wollte, und entfernte sich in Richtung Terrasse, den widerstrebenden Lionel mit sich ziehend, der seinem Hund neugierig an den Ort des lauten Geschehens gefolgt war. Wieder einmal blieb es ihr allein überlassen, die Wogen der Auseinandersetzung zu glätten und Anna verspürte darüber leichten Ärger: Auf der anderen Seite musste sie zugeben, dass das Projekt Remise allein ihr Wunsch und Wille war und Yann nie ein Hehl daraus gemacht hatte, dass er damit nichts zu tun haben wollte. Er tolerierte ihr Tun, hatte aber von Anfang an klargestellt, dass es allein ihre Sache war, wenn sie junge Nordafrikaner, die es hierher verschlagen hatte, unterstützen wollte.
    »Er sagt«, Hadi zeigte mit dem Finger anklagend auf Omar, »Fouhad sei jetzt in der Hölle, wo er auch hingehört, weil er mit dieser deutschen Ungläubigen rumhurt. Die gebe ihm nur Alkohol zu trinken und Schweinefleisch zu essen. Und ich hab ihm gesagt, er soll nicht so einen Quatsch erzählen, sondern vielleicht darüber nachdenken, was mit unserem Kumpel passiert ist und wo wir nach ihm suchen können. Ich mache mir nämlich Sorgen um Fouhad, verstehst du!«, fuhr Hadi den immer noch ungerührt Verharrenden an.
    »Ja, wir machen uns auch Sorgen«, pflichtete Anna bei. »Na ja, wir können erst mal nur abwarten, die Polizei ist informiert und wird sich sofort melden, wenn sie was weiß. Hoffentlich hatte er keinen Unfall mit dem Roller. Und dir ist also egal, was mit deinem Freund passiert ist?«, wandte sie sich an Omar.
    »Er ist nicht mein Freund«, antwortete der nur, ohne sie anzusehen, drehte sich um und ließ sie einfach stehen. Anna hatte nicht übel Lust, ihn sofort an die Luft zu setzen. Er war vom Asylhilfeverein hierher gebracht worden und ihr von Anfang an nur mit Verachtung begegnet. Eine Frau als Chefin stand seiner tiefsten, inneren Überzeugung entgegen und eine Ungläubige verdiente in seinen Augen schon gar keinen Respekt. Sie beschloss, ihn so schnell wie möglich wieder loszuwerden. Weder war er eine Hilfe im Restaurant, da er sich weigerte, irgendetwas anzufassen, das mit Schweinefleisch in Berührung gekommen war, noch beachtete er ihre Anweisungen, wenn sie ihn im Garten und auf dem Grundstück arbeiten ließ. Sie erwartete keine unendliche Dankbarkeit, aber zumindest ein Einfügen in die

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