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Steilufer

Steilufer

Titel: Steilufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ella Danz
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Alltagsregeln in der ›Villa Floric‹ und dass man sie mit der Achtung behandelte, die auch sie gewöhnlich jedem anderen Menschen entgegenbrachte. Seit er hier war, herrschten immer wieder Streit und Unfrieden in der Remise. Nein, das musste sie sich nun wirklich nicht mehr antun.
     
    »Also, des muss ich sagen, des gefällt mir fei ausnehmend gut hier!«
    Georg Angermüller stand auf der Terrasse hoch über der in der Sonne glitzernden Ostsee und schaute sich beeindruckt seine Umgebung an. Die steinerne Balustrade vor ihm, flankiert von Palmenkübeln, die weit ausladenden Platanen auf dem gepflegten Rasen und dahinter die roséfarbene Villa – an einem Sommertag wie heute brauchte dieser Ort den Vergleich mit der Côte d’Azur nicht zu fürchten.
    »Bist du etwa noch nich in diesem Schuppen gewesen? Ich hab ja für so ’n Schnickschnack sowieso nix übrig, aber so ein Gourmet wie du?«
    Der Unterton, mit dem Jansen das Wort ›Gourmet‹ bedachte, belegte deutlich, dass er mit dieser Spezies nicht viel am Hut hatte.
    »Ich weiß auch net – irgendwie haben wir es nie gschafft, hier mal herzukommen«, bedauerte Angermüller.
    »Ich kenn das noch von meiner Oma. Das war damals ein bekanntes Ausflugslokal und sie hat hier mit ihren Freundinnen Cremetorten gespachtelt und sich aufgeregt, weil es Kaffee nur kännchenweise gab. Und ich kriegte nie den großen Früchtebecher, sondern jedes Mal ein Fürst-Pückler-Eis – Vanille, quietschrosa Erdbeere und blasse Schokolade –, geschmeckt hat das nich doll.«
    Trotz dieser wenig begeisterten Aussage verlor sich Jansen in seinen Kindheitserinnerungen.
    »Jansen, wir sind nicht nur zu unserem Vergnügen hier! Auf gehts!«, holte Angermüller seinen Kollegen ins Hier und Jetzt zurück und sie gingen über den knirschenden Kies in Richtung Villa.
    Sie wollten gerade die Stufen zum Eingang hochsteigen, als ein Hund – so ein weiß-graues, ziemlich großes Tier, bei dem man nicht erkennen konnte, wo vorne und hinten war – aufgeregt auf sie zugelaufen kam, gefolgt von einem Jungen in Shorts und T-Shirt. Das Tier lief um die Beamten herum und schnüffelte neugierig und der Junge sagte: „Hallo, das Restaurant ist noch zu, aber wenn Sie heute Abend kommen wollen, nehmen wir gerne Ihre Reservierung entgegen.«
    »Ah, du bist hier wohl der Chef?«, fragte Jansen.
    »Nein, das ist meine Maman«, antwortete der Junge ernsthaft und versuchte, sich eine dunkelbraune Locke, die ihm von seinem dichten Haarschopf in die Stirn hing, aus dem Gesicht zu pusten: »Und wenn Sie die sprechen wollen, die ist hinten bei der Remise.«
    »Zeigst du uns den Weg? Wie heißt du?«
    »Ich heiße Lionel Floric.«
    Und damit hüpfte er, umtänzelt von seinem Hund, den Beamten voraus in Richtung Remise.
     
    »Grüß Gott! Angermüller mein Name, von der Kripo Lübeck, das ist mein Kollege Jansen. Frau Floric – wir sind hier wegen Ihrer Vermisstenanzeige.«
    »Haben Sie Fouhad gefunden? Geht es ihm gut?«
    »Es tut mir leid – es gibt noch keinen konkreten Hinweis auf die vermisste Person. Wir haben nur noch ein paar Fragen.«
    »Was möchten Sie wissen? Setzen wir uns doch!«
    Anna Floric deutete auf eine Gruppe Gartenmöbel, die sich gleich neben dem Eingang des Flachbaus befand. Während sie auf den Holzstühlen Platz nahmen, musterte Angermüller sie unauffällig, – die Restaurantbesitzerin und berühmte Köchin hatte er sich anders vorgestellt. Älter und irgendwie bedeutender, jedenfalls nicht so wie diese natürliche junge Frau, klein, ein wenig stämmig, mit lustig gelockten, blonden Haaren, in Jeans und T-Shirt, die ihn mit ihren hellgrauen Augen abwartend ansah. Mit den Ellbogen auf ihre Rückenlehne gestützt, stand der Junge hinter dem Stuhl seiner Mutter und es war ihm anzusehen, dass er nicht ein Wort verpassen wollte, das hier gesprochen wurde. Bis auf die hellen Augen, die zu seinem olivfarbenen Teint besonders auffällig waren, hatte er mit seiner Mutter kaum Ähnlichkeit.
    »Lionel!«, sagte Anna Floric in einem sehr bestimmten Ton, ohne sich nach ihm umzudrehen und als er sich nicht bewegen wollte, noch einmal etwas lauter: »Lionel, s’il te plaît!«
    Mit einem beleidigten Gesichtsausdruck und betont langsam zog sich der Junge, gefolgt von seinem Hund, vom Ort des Geschehens zurück.
    »Zuerst wüssten wir gerne, wann und wo Sie den Herrn«, Angermüller schaute in seine Unterlagen, »Fouhad Ferhati zum letzten Mal gesehen haben.«
    »Das war Mittwochabend, in der

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