Steilufer
in dem auch Maik Priewe wohnte, und die beiden Beamten beeilten sich, hinter ihr ins Haus zu kommen, was aber nicht nötig gewesen wäre, da das Türschloss ohnehin nicht zu schließen schien.
»Was wollen Sie hier? Wohnen Sie hier?«, blaffte die Alte die beiden an, als sie hinter ihr im Treppenhaus standen, das nicht sehr einladend wirkte. In einer Ecke ein Haufen Reklameprospekte auf dem Fußboden, daneben ein paar mit Müll gefüllte Plastiktüten, an die Wand waren ein paar unleserliche Tags gekritzelt und das Treppengeländer war aus der Halterung gerissen.
»Wir sind von der Polizei.« Jansen hielt ihr seinen Dienstausweis hin und sofort wurden sie mit einem Schwall von Worten überzogen, der eine einzige Anklage gegen das ›ausländische Gesocks‹ war, das dieses ehrenwerte Haus in den letzten Jahren in immer größerem Maße heimgesucht hatte. Es begann mit Küchengerüchen und Babygeschrei und endete bei Diebstahl und Rauschgift.
»Und alles von unseren Steuergeldern! Unsereins muss sich abquälen und die leben wie die Made im Speck! Ob Russen, Neger oder sonst was – die kriegen das doch vorne und hinten reingeschoben, sonst würden doch nicht immer mehr von denen hierherkommen, von diesem Asylantenpack! Gut, dass Sie da sind, räumen Sie da mal ordentlich auf!«
Angermüller konnte sich vorstellen, dass das Zusammenleben der vielen Menschen hier, die aus den unterschiedlichsten Gegenden der Welt kamen und die finanziell mehr oder weniger schlecht ausgestattet waren, kein Zuckerschlecken war. Das war keine multikulturelle Spaßveranstaltung, sondern ein täglicher Kampf der Kulturen. Hier war jeder sich selbst der Nächste und die Angst vor dem Unbekannten, Fremden schlug oft genug um in tiefen Hass. Da genügte manchmal schon der Geruch eines fremden Gewürzes aus der Küche des Nachbarn, um gefährliche Aggressionen zu schüren. Da er es für ziemlich sinnlos hielt, einige ihrer bodenlosen Behauptungen richtigzustellen oder der aufgebrachten alten Frau von den Idealen eines Martin Luther King zu erzählen, überhörte er kurzerhand ihr Geschimpfe und fragte nach Maik Priewe.
»Ja, unser Maik! Das ist doch mal ein netter Nachbar!« Die eben noch keifende Stimme der Frau schlug um in einen freundlichen Ton, den Angermüller bei ihr gar nicht für möglich gehalten hätte.
»Der bringt einem auch mal einen Wasserkasten hoch oder dreht eine Glühbirne rein. Der wohnt noch nicht lange hier, aber das ist ein feiner junger Mann! Hat der was angestellt?«, unterbrach sie misstrauisch ihre Lobreden und fuhr fort, als Angermüller nur die Schultern hob: »Der wohnt ja direkt unter mir, im 4. Stock. Manchmal ist seine Musik ein büschen laut, aber die wollen ja auch mal feiern, die jungen Leute, da hat man doch Verständnis für! Der hat auch eine ordentliche Arbeit, der Maik! Da werden Sie übrigens kein Glück haben, der ist bestimmt auf Tour um diese Zeit!«
»Wir schaun mal«, meinte Angermüller nur. »Ach, sagen Sie, gibt es hier so was wie einen Hausmeister, der auch Schlüssel zu den Wohnungen hat?«
»Den gibt es. Aber der ist meistens nicht da oder besoffen. Was wollen Sie denn von dem?«
»Falls der Maik nicht da sein sollte…Wir müssten dringend mal in seine Wohnung, im Rahmen ermittlungstaktischer Zusammenarbeit mit Tatzeugen, das wäre ganz wichtig für den Maik.«
Jansen hob erstaunt die Brauen.
»Das können Sie leichter haben als mit dem alten Suffkopp«, sagte die alte Frau. »Ich hab nämlich auch einen Schlüssel. Der Maik hat gesagt – gleich, nachdem er hier eingezogen war – da hat er gesagt, ich vertrau dir, Oma Butz, du kriegst meinen Schlüssel, für alle Fälle!«
»Wenn Sie uns den kurz geben könnten, da tun Sie Ihrer Polizei einen großen Gefallen mit!«
»Denn kommen Sie man mit! Der Maik ist auch immer für Ordnung, der hat da bestimmt nichts gegen, wenn Sie da was für Ihre Ermittlungszeugen und so erledigen müssen.«
Sie fuhren gemeinsam mit dem Aufzug nach oben und als sie im 4. Stock niemanden antrafen, begleiteten sie die auskunftsfreudige Alte in ihre Wohnung und erhielten von ihr den Schlüssel ausgehändigt, mit der Bitte, ihn anschließend gleich wieder zurückzubringen.
»Was machst du denn heute für Sachen, Georg? So kenn ich dich ja gar nicht!« Jansen sah seinen Kollegen kopfschüttelnd an. »Ermittlungstaktische Zusammenarbeit mit Tatzeugen! Du erzählst einen Schietkram, wenn der Tag lang ist. Aber so ganz ohne Durchsuchungsbefehl? Das
Weitere Kostenlose Bücher