Steilufer
könnte bösen Ärger geben.«
»Tja, das Eine darf man und das Andere muss man.« Angermüller machte ein entschlossenes Gesicht. »Ich bin mir ganz sicher, dass wir hier dahinterkommen, was es mit dem Verschwinden von Fouhad Ferhati auf sich hat und wer weiß, vielleicht führt die Spur uns ja auch ans Steilufer! Sollte es Schwierigkeiten geben, ich nehme das auf meine Kappe.«
Sie streiften sich Schutzhandschuhe über und öffneten die Wohnungstür.
»Boah! Wie sieht das denn hier aus?«
Jansen schien echt beeindruckt von der blitzsauberen Ordnung, die überall in der Zweizimmerwohnung herrschte – bei ihm zu Hause konnte davon keine Rede sein, dort regierte ein unübersichtliches Chaos, wie Angermüller von seinen wenigen Besuchen bei seinem Kollegen wusste. In Priewes Küche stand weder benutztes Geschirr noch lag irgendetwas einfach so herum, kein überquellender Mülleimer, keine bunte Sammlung leerer Flaschen, auf dem kleinen Tisch sogar ein Deckchen und eine Schale mit Obst.
Angermüller öffnete die Kühlschranktür und besah sich interessiert den Inhalt. Auch hier war alles sauber und geordnet. Neben einer Menge Dosenbier standen drei Literpackungen Trinkjoghurt und im Gemüsefach lagerten zwei Fertigpackungen Currywurst.
»Sach ma, welches Erkenntnisinteresse treibt dich denn an?«, knurrte Jansen verständnislos.
»Zeig mir, was du isst und ich sage dir, wer du bist! Deine bevorzugte Speisenauswahl lässt ja auch ziemlich tief blicken.«
Angermüller überhörte Jansens Protest und öffnete die Tür zum Gefrierfach.
»Immerhin, Tiefkühlpizza.«
Auch in den Küchenschrank steckte Angermüller noch seine Nase und zeigte Jansen kopfschüttelnd eine ganze Sammlung großer Dosen mit Aufschriften wie ›Giant Powerfood‹, ›Turbo Weight Gainer‹ oder ›Mega Mass Drink‹.
»Für den schnellen Aufbau von Muskelmasse. Da kannste ja gleich Hundefutter frühstücken. Für mehr Hirnmasse sorgt des aber bestimmt net.«
Das Wohnzimmer war unpersönlich und ohne Sinn für Farb- und Formgebung mit Schrankwand, Ledersofa, Couchtisch und Sideboard vollgestellt und wirkte kreuzbrav und spießig. Aufgehoben wurde dieser Eindruck durch eine riesige Reichskriegsflagge mit Hakenkreuz, die an der Wand über dem Sofa angebracht war. Auf dem Sideboard, wo andere ihre Porzellanfiguren oder ihre Familienbilder aufstellen, lagen hier zwei Gasmasken, ein Stahlhelm, ein kleiner Blechpanzer und diverse andere Utensilien aus der Zeit der Weltkriege und der Naziherrschaft. Auf einem Stück schwarzem Samt, das in einen Bilderrahmen gespannt war, fanden sich verschiedene Orden und Rangabzeichen, von denen Angermüller nur das eiserne Kreuz, Hakenkreuze und SS-Runen erkannte. Im Mittelpunkt dieser Sammlung fand sich ein Foto von Rudolf Hess mit schwarzer Schleife.
»Tsss! Sach ma, das is doch irgendwie krank!« Jansen hob den Stahlhelm hoch und schüttelte den Kopf. »Was finden die Jungs an dem ollen Plunder? Verstehst du die Faszination von diesem Kram?«
»Keine Ahnung, werde ich nie begreifen. Vielleicht wollen die nur irgendwie anders sein oder suchen nach einem Religionsersatz und das sind ihre Reliquien. Vielleicht wollen sie sich Respekt verschaffen mit diesen düsteren, verfemten Accessoires. Ich weiß es nicht.«
»Knallköppe sind das.«
Jansen reichte seine kurze Erklärung – tiefschürfende Analysen waren seine Sache noch nie gewesen. Er hockte sich vor die umfangreiche CD- und DVD-Sammlung in der Schrankwand und kam aus dem Kopfschütteln überhaupt nicht mehr raus.
»Wenn davon nicht mehr als die Hälfte auf dem Index steht, heiß ich Egon!«
Angermüller war mittlerweile ins Schlafzimmer gewechselt, wo auf einem Stuhl ein Stapel akkurat gefalteter T-Shirts lag und das Bett sehr ordentlich gemacht war. Er hatte den großen Kleiderschrank geöffnet. Auch hier war alles übersichtlich und wie abgezirkelt einsortiert. Er griff in eines der unteren Fächer und beförderte eine Schutzmaske ans Licht, die ein wenig wie ein Motorradhelm aussah. Er schaute genauer hin und fand noch zwei dieser Masken sowie immer in dreifacher Anzahl Handschuhe, Ellbogenschützer und Suspensorien. Am Boden des Schranks stand ein großer Karton.
»Ach, was haben wir denn hier?«
Stolz über seinen Fund präsentierte Angermüller seinem Kollegen etwas, das auf den ersten Blick einem kleinen Maschinengewehr ähnelte.
»Bingo! Das ist er, der Markierer! Und da drin sind noch zwei davon. Hier, siehst du, das Magazin und hier
Weitere Kostenlose Bücher