Steilufer
Ermahnung, das Opfer nur mit seinem richtigen Namen zu bezeichnen, blieb Priewe hartnäckig bei seinem herablassenden ›Ali‹.
»Und wofür habt ihr es noch verwendet?«
»Was soll das denn? Wollt ihr uns jetzt irgendwas anhängen, ihr mit eurem Scheiß-Rechtsstaat? Da war nix weiter außer dem bisschen Spaß.«
»Woher hattest du denn den Tampen?«, mischte sich Jansen ein.
»Mann, den hatte ich bei mir zu Hause, kann man ja immer mal gebrauchen, oder?«
»Wo hast du ihn gekauft?«
»Den hab ich nich gekauft. Der lag irgendwo rum und da hab ich ihn mitgenommen.«
»Gehts etwas genauer!?«
»Wollt ihr mich jetzt drankriegen wegen Tampenklau oder was? Also, ich hatte da ’n Job in ’nem Segelverein und da sollte ich den Bootsschuppen büschen aufräumen und da lag das Zeug meterweise rum und ich habe mir ’n kleines Stück abgeschnitten. Kann man ja nie wissen, wozu man das mal brauchen kann.«
»Der Verein, war das die Lübsche Seglervereinigung?«
»Kann sein.«
»Was war das für ein Job?«
»Das war vor gut zwei Monaten, da war ich noch nicht bei diesem ›Gourmet-Profi‹-Laden und stand ganz schön auf dem Schlauch und da hat der olle Burmester gesagt, er hätte ’ne Arbeit für mich. War aber nur einmal da, hatte ich kein Bock zu, in diesem Seglerpuff aufzuräumen.«
»Wer ist der olle Burmester und woher kennst du den?«
Angermüller fragte beiläufig und versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Burmester! Das durfte doch nicht wahr sein! An Jansens Blick sah er, dass auch sein Kollege die Antennen ausgefahren hatte.
»Irgendwoher eben.«
»Priewe, müssen wir dir alles aus der Nase ziehen?«
»Der hat so ’n Verein und da hab ich schon manchmal für gearbeitet.«
»Du meinst die ›Freiheitlich Unabhängige Bürgervereinigung‹, nehme ich an?«
Angermüller sah erstaunt zu seinem Kollegen, denn diese Information war ihm neu.
»Was hast du für die gemacht?«
»Mal was renoviert, Zeitungen ausgetragen, Lebensmittelspenden verteilt, Ordnerdienst. All so was. Und den Job beim ›Gourmet-Profi‹ hab ich auch über die gekriegt. Beim Scheißarbeitsamt kommen ja sowieso immer nur die ganzen Ausländer dran.«
Sie versuchten, noch einmal weiterzukommen und fragten wieder nach der blauen Schot, doch Priewe stellte auf Durchzug. Ob er nur blockierte oder wirklich nichts über die zweite Fessel und den Toten aus dem Schlauchboot wusste, war nicht auszumachen. Angermüller telefonierte mit dem Staatsanwalt und leitete alles in die Wege, damit
Priewe und seine beiden Kumpane heute noch dem Haftrichter vorgeführt würden.
»Gratuliere, Herr Kommissar! Da haben Sie ja einen guten Fang gemacht und ziemlich schnell! Heute Morgen den vermissten Mann aufgefunden und mittags schon den Hauptverdächtigen festgenommen. Wieso waren Sie eigentlich zu diesem Zeitpunkt schon so sicher, dass der Priewe dahinter steckt? Das Opfer ist doch noch gar nicht vernehmungsfähig?«
Unangenehm berührt dachte Angermüller an seine eigenmächtige Durchsuchung von Priewes Wohnung.
»Reine Intuition, Herr Staatsanwalt!«
»Ich bin wirklich beeindruckt, gute Arbeit!«
Dieses nicht ganz verdiente Lob hinterließ bei Angermüller ein flaues Gefühl. Nicht etwa, dass er unter seinem wenig vorschriftsmäßigen Verhalten litt, vielmehr wurmte ihn, dass sie bei der Lösung ihres eigentlichen Falles immer noch nicht richtig vorangekommen waren.
Durch die für diese Breiten ungewöhnliche Hitze war es im Besprechungsraum, der schon seit Stunden von der Sonne beschienen wurde, auch bei heruntergelassenen Jalousien ziemlich heiß und stickig. Auch die gekippten Fenster brachten keine Abkühlung. Trotz dieser unangenehmen Arbeitsbedingungen herrschte bei den meisten, die sich an dem großen Tisch zur Teamsitzung versammelt hatten, nach Tagen wieder einmal eine optimistische Stimmung. Endlich ein greifbares Ergebnis: Der vermisste Fouhad Ferhati war lebend wieder aufgetaucht. Laut Steffens kurzer Zusammenfassung seines Befundes hatte der junge Algerier Brandmale an Rücken und Armen, Hämatome am ganzen Körper und auch im Gesicht sowie eine Platzwunde am Kopf, die höchstwahrscheinlich auf die Misshandlungen durch die Neonazis zurückzuführen waren. Der gebrochene rechte Unterschenkel sowie die Quetschungen auf der rechten Seite stammten wohl von seinem Gefängnis zwischen den Baumstämmen. Die Ärzte prognostizierten vollständige Heilungschancen – Ferhati hatte noch mal Glück gehabt. Die Schuldigen waren
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