Steilufer
Kameradschaftsabend mitgenommen und Matthias hatte sich dort sofort wohl gefühlt. Man akzeptierte ihn, er fühlte sich als gleichberechtigtes Mitglied einer Gemeinschaft. Einmal war er auch bei einem Konzert von ›Wotans Wuth‹ dabei, das offiziell als Geburtstagsfeier lief und bei dem es anschließend Ärger mit der Polizei gab.
»Und wie war das nun mit diesen Gotcha-Spielen?«
»Da hat der Maik uns immer von erzählt, dass er manchmal so was organisiert, aber das war alles sehr geheim, weil das ja einfach so im Wald eigentlich verboten ist. Die Kameraden und ich, wir fanden die Idee trotzdem geil. Der Maik hat dann die ganze Zeit so Andeutungen gemacht, von einem Geheimkommando und so, und als ich und noch ein paar andere mitmachen wollten, sagte er, das ist nix für Pimpfe. Ihr müsst euch erst mal bewähren und würdig erweisen, bei so einer Strafaktion dabei zu sein.«
»Und wie war das letzte Woche, als dein Kollege verschwunden ist? Konntest du dir gleich denken, was mit ihm passiert war?«
»Wir alle wussten, was los ist, als der Maik und zwei andere an dem Abend loszogen. Als der Ausländer dann bei der Arbeit nicht wieder aufgetaucht ist, war mir eigentlich alles klar. Der Maik hatte ja immer gesagt, er wird denen einen Denkzettel verpassen, dass die sich wünschen, nie in unser schönes Deutschland gekommen zu sein. Er würde das für uns alle tun.«
»Wie fandest du das?«
»Eigentlich fand ich das gut. Die haben mich alle immer nur genervt da im Restaurant, diese Kameltreiber. Ich fand das nur total ungerecht, dass ich nicht mitmachen durfte.«
»Und deswegen hast du dann die Parolen ans Restaurant geschmiert?«
Wie ein uneinsichtiges, trotziges Kind sagte Matthias: »Ich wollte auch was tun. Ich wollte dem Maik zeigen, dass ich auch was beitragen kann zu unserer Sache!«
»Wie fand er das?«
»Er hat sich furchtbar aufgeregt! Wie ich so was Blödes machen konnte, hat er gefragt. Wegen mir hätte er jetzt die Bullen am Hals und so.«
»Von wem stammt eigentlich dieses Filmchen auf deinem Handy?«
»Das ist von Timo. Den nennt Maik auch immer nur Pimpf.«
»Und wann hat der Timo dir die Bilder geschickt?«
»Gestern.«
»Also erst nach deiner Heldentat an der ›Villa Floric‹?«
Matthias warf einen unsicheren Blick auf Jansen.
»Wieso Heldentat? Der Timo hat das mitgekriegt von meiner Aktion an der ›Villa Floric‹ und der fand das irgendwie gut, dass ich was gemacht habe. Der war nämlich auch sauer, dass der Maik ihn nicht ernst nimmt, dass der uns immer behandelt wie kleine Kinder. Der Timo ist denen dann letzte Woche in der Nacht einfach mit seinem Auto nachgefahren.«
»Weiß Maik das?«
Matthias schüttelte langsam den Kopf und es war ihm anzusehen, was er sich in diesem Augenblick am wenigsten wünschte: Maik Priewe zu begegnen. Angermüller und Jansen warfen sich einen Blick zu und wären sie allein gewesen, hätten sie wohl ein Freudengeheul ausgestoßen. Mat-thias Wulff hatte ihnen soeben Maik Priewe auf einem silbernen Tablett serviert.
Sie trieben Timo nach Wulffs Hinweis in einer Eisbude in Travemünde an der Promenade auf, dort hatte er einen Ferienjob. Timo ging noch zur Schule. Er stammte aus geordneten Familienverhältnissen und Angermüller fühlte sich an seinen Neffen erinnert, als der Junge im Vernehmungszimmer vor ihm saß. Er war 18 Jahre alt, dem Gesetz nach also erwachsen, doch sowohl sein Aussehen als auch sein Benehmen trugen kindliche Züge. Mit einer Mischung aus Angst und Spannung sah er die beiden Beamten erwartungsvoll an und bejahte dankbar, als sie ihn fragten, ob sie ihn duzen dürften. Bei der nächsten Gelegenheit musste er sich Marco noch einmal vornehmen, dachte Angermüller, und ihm klar machen, in was er da durch Priewes Gang hineinschlittern könnte. Na ja, zumindest für eine Weile würde Priewe jetzt erst mal aus dem Verkehr gezogen sein.
Timo schilderte ihnen detailliert, wie Fouhad Ferhati von Priewe und den beiden Glatzen, die alle nur Stan und Olli nannten, letzte Woche in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag kurz hinter der ›Villa Floric‹ auf seinem Roller gestoppt und in Priewes Lieferwagen gezerrt worden war. Den Roller hatten sie gleich an Ort und Stelle in der Senke unter Laub und Astwerk versteckt, wo ihn die beiden Kinder knapp eine Woche später entdecken sollten. Dann waren sie in das Waldstück südlich von Ratekau gefahren und dort hatte Timo gefilmt, was sie mit Fouhad Ferhati anstellten, als sie im Wald
Weitere Kostenlose Bücher