Steilufer
angekommen waren.
»Der war gefesselt an den Händen und die hatten ihm die Augen verbunden. Und dann haben die erst mal was getrunken und den Typen immer so zwischen sich herumgeschubst, der is dann mal hingefallen, aber immer wieder hochgekommen. Und als er dann wieder hingefallen ist, da hat sich der dicke Olli auf den drauf gesetzt und ihn gezwungen, Bier zu trinken und er sollte immer ›Prost Mohammed‹ sagen. Der wollte das aber nicht. Und da haben sie ihn getreten und so.«
Timo hatte offensichtlich Schwierigkeiten, die Brutalitäten zu schildern, deren Zeuge er in jener Nacht geworden war und Angermüller dachte, wer weiß, wozu es gut war, dass der Junge mitgekriegt hat, dass die Wirklichkeit mit einem Computerspiel nichts gemein hat.
»Das sind die Szenen, die du mit deinem Handy aufgenommen hast?«
Er nickte.
»Warum hast du das eigentlich gemacht?«
Achselzucken.
»Ich weiß nicht. Irgendwie dachte ich, denen zeig ichs, weil sie uns nicht beim Gotcha dabei haben wollten. Ich wusste ja nicht, dass die solche Scheißsachen machen.«
»Was haben die denn noch mit dem Fouhad gemacht?«
»Na ja.« Timo druckste herum. »Der musste sich auf den Bauch legen und dann haben sie ihm eine brennende Zigarre auf den nackten Rücken gelegt und versucht, die auszupissen.«
Jansen schüttelte den Kopf und atmete laut pustend aus.
»Und warum bist du mit deinem Wissen über so eine brutale Straftat nicht sofort zu uns gekommen?«
Der Junge sah Jansen offen an.
»Ich hab Schiss vor denen, Mann.«
»Wie ging es dann weiter?«
»Die haben sich dann ihre Gotcha-Klamotten angezogen. Ich weiß, dass der Stan eine Nachtsichtbrille mit Infrarot und so hat und da hab ich mich dann vom Acker gemacht und bin zu meinem Auto zurückgeschlichen, weil, wenn die mich entdeckt hätten…«
Jansen nickte.
»Gut, Timo. Es dauert noch einen Moment, dann kannst du deine Aussage unterschreiben und wieder gehen. Könnte sein, dass die Staatsanwaltschaft sich bei dir meldet.«
Erschrocken schaute Timo auf.
»Aber wieso? Ich hab doch alles gesagt, was ich weiß!«
»Na ja, möglicherweise spielt unterlassene Hilfeleistung eine Rolle oder aber das Verschweigen einer Straftat. Das sind auch Delikte. Wir werden sehen. Wenn es zu einem Prozess kommen sollte, und das wird es bestimmt, wirst du vielleicht auch als Zeuge auftreten müssen.«
»Krieg ich dann Polizeischutz?«
Was dieser Junge sich so vorstellte! Jansen schüttelte den Kopf. Wie die meisten Menschen glaubte auch er offensichtlich, man verfüge über eine Unzahl Polizisten, die man zu den verschiedensten Gelegenheiten nach Belieben einsetzen konnte. Noch nie etwas über den chronischen Mangel an Menschen und Ausstattung bei der Polizei gehört?
»Das werden wir dann schon hinkriegen, Timo!«, sagte er aufmunternd und klopfte ihm auf die Schulter.
A ls sie Maik Priewe mit den Aussagen der beiden Jungen konfrontierten, gab er sich anfangs immer noch völlig gelassen. Er leugnete nicht mehr die Tatsache, Ferhati als Zielscheibe für das Gotcha-Spiel benutzt zu haben. Aber seine Unverfrorenheit ging so weit, zu behaupten, dass Ferhatis Beteiligung mit dessen Einverständnis stattgefunden habe.
»Das war nur ein Spiel, versteht ihr! Das fand er spannend, der Ali!«
Jansen schaltete den Computerbildschirm ein. Die Kriminaltechnik hatte mittlerweile die Bilder, die sie auf den Handys der Jungen entdeckt hatten, auf eine CD gebrannt.
»Und das? Fand er das auch spannend?«
Im ersten Augenblick schien Priewe nicht zu erkennen, was da über den Monitor flimmerte, doch als dann bestimmte Wortfetzen hörbar waren und sein blond gefärbter Bürstenschnitt im Bild auftauchte, dämmerte ihm, dass dies eine eindeutige Dokumentation seines nächtlichen Treibens von der vergangenen Woche war. Es hielt Priewe nicht länger auf seinem Stuhl. Er sprang auf und starrte wie gebannt auf den Bildschirm.
»Wo habt ihr das her? Das kann doch nicht der Kanake gefilmt haben?«
Jansen schoss ebenfalls von seinem Stuhl empor und packte Priewe am Kragen seines T-Shirts.
»Der Mann heißt Fouhad Ferhati und wenn du uns nicht sofort haarklein erzählst, was in dieser Nacht passiert ist, wirst du mich kennenlernen!«
Jansens Ausbruch bewirkte bei Priewe nur ein dreckiges Grinsen.
»Was kannst du schon machen, Bulle? Wir leben ja immerhin in eurem beschissenen Rechtsstaat. Da ist Gefangenenmisshandlung verboten.«
Auch Angermüller war aufgestanden. Er stellte sich neben Jansen, der
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