Steilufer
Priewes T-Shirt wieder losgelassen hatte.
»In diesem beschissenen Rechtsstaat wirst du jetzt – wir sind ja inzwischen beim ›Du‹, wie ich gehört habe – vorerst keinen Mist mehr bauen können, denn erst mal wirst du für eine ganze Weile von der Bildfläche verschwinden. Dir ist bekannt, was auf Mord steht?«
»Wieso Mord? Isser tot?«
»Wer?«
»Na, der.« Priewe sah zu Jansen. »Der Ali.«
»Der Mann heißt Fouhad Ferhati, geht das in dein Spatzenhirn?«
»Also: Isser tot dieser Fouhati oder wie der jetzt heißt?«
»Das ist noch nicht klar.«
»Wie? Das wisst ihr noch gar nicht? Wozu dann der ganze Larry? Der Typ ist einfach abgehauen mitten in der Nacht, was kann ich dafür?«
»Weil er nicht mehr mit euch spielen wollte, oder was? Dabei war das doch so nett, wie man auf diesen Bildern hier sehen kann.« Jansen platzte schon wieder der Kragen. »Los jetzt!
Setz dich! Wer war dabei? Wie ist das Ganze abgelaufen?«
Endlich schien Priewe einzusehen, dass er sich aus dieser Situation nicht mehr herauswinden konnte. Alle drei nahmen wieder auf ihren Stühlen Platz. Maik Priewe erzählte mit erschreckender Selbstverständlichkeit, dass er schon seit Längerem mit Stan und Olli den Plan hatte, endlich mal eine richtige Strafaktion gegen diese lästigen Ausländer zu starten. Die beiden Glatzen, deren richtige Namen Matthias Wulff den Beamten genannt hatte, waren inzwischen auch festgenommen worden und auf dem Weg in die Possehlstraße.
Dann schilderte Priewe noch einmal ausführlich den Verlauf jener Nacht: wie sie Fouhad Ferhati mit seinem Roller gestoppt und in das Auto gezerrt hatten und anschließend den Roller versteckt, wie sie in den Ratekauer Forst gefahren waren und dort erst einmal ›spontan ein bisschen Party gemacht und sich warm gelaufen‹ hatten. So bezeichnete Priewe die bei reichlichem Bierkonsum veranstalteten Quälereien von Ferhati. Angermüller schaute immer wieder ungläubig den Mann an, der ihnen völlig kalt über diese ungeheuren Vorgänge berichtete – ohne eine Spur von Scham oder gar Mitgefühl. Im Gegenteil, er schien sich mit seinen grausamen Details sogar noch brüsten zu wollen. Wie konnte jemand so verrohen? Was konnte man gegen einen, der keine Moral, keine Grenzen kannte, überhaupt ausrichten? In solchen Momenten hasste Angermüller seinen Beruf.
»Und denn ham wir unsere Ausrüstung angezogen und damit der Typ auch ne Chance hatte, haben wir ihm die Augenbinde abgenommen und ihm einen kleinen Vorsprung gelassen und dann ham wir ’n büschen rumgeballert – aber doch nur mit Farbmunition!«
»Wie lange ging das so?«
»Kann ich nich sagen, Viertelstunde, 20 Minuten – auf einmal war der Ali weg. Der Stan hat zwar mit seiner Infrarotbrille noch ne ganze Weile nach dem gesucht, aber der blieb verschwunden. War Pech.«
Wer da nun nach Priewes Meinung Pech gehabt hatte, er und seine Kumpel, da ihnen ihre Zielscheibe nach so kurzer Zeit bereits die Menschenjagd verdorben hatte oder Ferhati, der angeblich plötzlich wie vom Erdboden verschluckt war, konnte dieser Aussage nicht entnommen werden. Auch nach längerem Nachfragen blieb Priewe bei seiner Darstellung. Es war ihm nicht nachzuweisen, dass er und seine beiden Kumpel den jungen Algerier in die Zwangslage gebracht hatten, in der er gefunden worden war.
Das war aber im Moment auch nicht von Bedeutung, denn schon die Freiheitsberaubung und die menschenverachtenden Gewaltdelikte auf dem kurzen Film reichten als Haftgrund für die drei aus. Spätestens, wenn Ferhati vernehmungsfähig war, würden sie vermutlich die ganze Wahrheit über diese schrecklichen Vorgänge erfahren. Angermüller hatte zwischendurch kurz mit der Kriminaltechnik telefoniert und das für ihn wichtigste Ergebnis war die Tatsache, dass das blaue Seil, mit dem Fouhad Ferhatis Hände zusammengebunden waren, tatsächlich identisch war mit der Fessel des Toten vom Steilufer. Winzige Partikel von Bootslack, der sich auf beiden Tampen gefunden hatte und die aus dem Bootsschuppen der Lübschen Seglervereinigung stammten, hatten dies eindeutig bestätigt.
Angermüller hatte um die beiden Beweisstücke gebeten, weshalb sie jetzt vor Priewe auf dem Tisch lagen, der sie nur mit einem verständnislosen Blick streifte.
»Kannst du uns was zu diesem Seil erzählen?«
Priewe zuckte gelangweilt mit der Schulter.
»Wahrscheinlich isses das, das wir dem Ali um die Händchen gebunden haben. Also habt ihr ihn gefunden.«
Trotz Jansens deutlicher
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