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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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versucht und seinen ganzen Ehrgeiz dareinsetzt, es gleich beim ersten Mal zu schaffen. Stück für Stück schob sich die Schlinge über den leicht in der schwachen Strömung bewegten Körper nach vorn, und dann hatte er sie endlich an der richtigen Stelle. Ein Ruck, und schon lag der Fisch zuckend neben ihm im Gras. Lauscher tötete ihn durch einen Schlag mit dem Messerrücken und versuchte es dann gleich noch einmal, stolz darauf, daß ihm der erste Fang so gut geglückt war. Fischer kamen wohl selten an diese Stelle, denn die Forellen waren nicht scheu, und bald hatte Lauscher auch die zweite an der Schlinge. Er nahm die beiden Fische aus und trug sie hinüber in den Auwald, denn er hatte inzwischen beschlossen, dort die Nacht zu verbringen. Mit Stein und Stahl entfachte er ein Feuer, spießte die Fische auf dünne Weidenruten und röstete sie an der Glut. Der Duft stieg ihm so lieblich in die Nase, daß er kaum warten konnte, bis die Forellen gar waren. Er aß sie mit wahrem Heißhunger und hätte jeden Eid geschworen, daß dies die köstlichsten Fische waren, die er je gekostet hatte.
    Als er satt war, holte er sein Pferd, das inzwischen draußen auf der Wiese gegrast hatte, unter die Bäume und band es für die Nacht an. Dann ging er am Bach entlang bis zur Einmündung in den Fluß, dessen lehmbraunes Wasser in reißender Strömung von rechts heranschoß. Er setzte sich ans Ufer und beobachtete die drehenden Wirbel, die rasch vorüberzogen, sah einen Wurzelstock vorbeitreiben, den der Fluß irgendwo oben in den Bergen freigespült hatte, und folgte der schwankenden Fahrt des knorrigen Gebildes mit den Blicken, bis er es aus den Augen verlor. Darüber wurde er müde, ging zurück zu seinem Lagerplatz, hüllte sich in seine Decke und schlief sofort ein.
    Viele Tage lang ritt er weiter am Braunen Fluß entlang, ohne daß etwas besonderes geschah; nicht einmal die Landschaft änderte sich, abgesehen davon, daß der Fluß, der rechts von ihm hinter dem Ufergebüsch rauschte, nach und nach immer breiter wurde, gespeist von den Bächen und Flüßchen der fernen Berge, die jetzt nur noch als blaue Silhouette am Horizont lagen. Einerseits fand es Lauscher ein bißchen langweilig, daß die Zuflüsse immer nur von der anderen Seite kamen, und er bedauerte diesen Umstand auch deswegen, weil er auf diese Weise nicht mehr seine Künste im Forellenfang üben konnte; andererseits hatte dieser einseitige Zuwachs auch sein Gutes: Lauscher hatte keine Last damit, ständig irgendwelche Wasserläufe überqueren zu müssen. Er hatte nie besonders viel für die Steppe übrig gehabt, aber jetzt fand er es ganz nützlich, daß es dort draußen in der endlosen Ebene so wenig Wasser gab, denn es erleichterte ihm den Ritt beträchtlich. Nacht für Nacht suchte er sich einen Lagerplatz im Gebüsch, doch selbst die Erlen glichen einander derart, daß ihn manchmal das Gefühl überkam, hier in einer der vorangegangenen Nächte schon geschlafen zu haben. Und wenn er am Morgen weiterritt, fragte er sich, ob er überhaupt vorangekommen sei. Schließlich wünschte er sich nichts so sehr wie eine Veränderung, und sei es ein Hindernis auf dem Weg oder auch nur eine Bewegung am Horizont.
    Dieser Wunsch sollte gegen alles Erwarten in Erfüllung gehen. Um die Mittagszeit des folgenden Tages tauchten plötzlich Reiter weit voraus neben dem Fluß auf, erst drei, dann fünf und gleich darauf eine ganze Horde, die in vollem Galopp am Ufergebüsch entlang daherpreschten. Lauscher hielt seinen Wallach an. So verwegen auf den niedrigen Gäulen hängend hatte er bisher nur Beutereiter über die Steppe jagen sehen. Schon hörte er das dumpfe Trommeln der Hufe auf dem grasigen Boden, und als dann auch noch die schrillen, langgezogenen Schreie sein Ohr erreichten, wußte er, daß er es mit Hunlis Horde zu tun hatte. Ob der Khan erfahren hatte, daß der Gewinner seines Falkenreiterteppichs hier allein nach Süden trabte? An Flucht war nicht mehr zu denken. Sein Wallach mochte zwar ein tüchtiger Renner sein, aber den dahinrasenden Steppengäulen würde er nicht entkommen können. Lauscher blickte den Reitern entgegen, deren Zöpfe er schon um die Schläfen fliegen sah. Als einziger Fluchtweg blieb ihm nur der Fluß.
    Lauscher riß seinen Wallach herum und trieb ihn ins Erlengebüsch. Am Ufer sprang er aus dem Sattel, rannte ins Wasser und zerrte sein Pferd am Zügel hinter sich her. Der Wallach versuchte sich aufzubäumen, aber Lauscher riß ihn weiter, und

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