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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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gleich darauf verlor er den Boden unter den Füßen. Ehe das Wasser über ihm zusammenschlug, ließ er die Zügel fahren und packte mit der Rechten das Riemenzeug des Sattels, und als er nach Luft schnappend wieder auftauchte, spürte er, wie der Wallach schon auf die Flußmitte zuruderte. Aber hier geriet er in eine derart reißende Strömung, daß er rasch flußabwärts getrieben wurde. Jetzt erst fand Lauscher Zeit, zum Ufer zurückzublicken. Hinter Erlen und Weiden sah er die Reiter vorüberjagen. Keiner von ihnen machte auch nur den Versuch, sein Pferd anzuhalten. Hatten sie ihn überhaupt gesehen? Nach wenigen Augenblicken war die Horde schon ohne jeden Aufenthalt vorübergejagt.
    Erst als die wirbelnde Strömung ihn von seinem Pferd zu trennen drohte, wurde Lauscher bewußt, daß er nicht schwimmen konnte. Es war sein Glück, daß wenigstens der Wallach offenbar nicht zum ersten Mal im tiefen Wasser war. Das Tier warf zwar hin und wieder nervös den Kopf zurück, aber es verstand sich über Wasser zu halten. Nach einiger Zeit spürte Lauscher, wie seine Finger steif zu werden begannen, und er versuchte, seinen Arm unter den Sattel zu schieben, aber der Gurt war zu eng geschnallt, und schon der nächste Wirbel riß Lauscher von seinem Pferd fort.
    Er merkte, wie er sank. Vor seinen Augen war nichts mehr als das grüne Geflimmer des Wassers. Er sank und hielt den Atem an, bis seine Lungen zu bersten drohten, doch mit einem Male wurde seine Brust leicht, er fühlte sich getragen von glatten, breiten Rücken und spürte sanften Flossenschlag unter seinen Schultern. Und ehe ihm die Sinne vergingen, hörte er aus der Tiefe des Wassers einen volltönenden Gesang wie das auf- und abschwellende Dröhnen einer Glocke.
    Es war eine Stimme, die Lauscher wieder zum Bewußtsein weckte, eine hohe Männerstimme, die in merkwürdig singendem Tonfall unverständliche Worte sprach. Er schlug die Augen auf und sah dicht über sich das Gesicht eines älteren Mannes mit blaßblauen Augen, hängendem grauen Schnurrbart und dem zurückweichenden Kinn der Karpfenköpfe. Dieser Mann drehte jetzt den Kopf zur Seite und rief einen zweiten herbei, dessen Gesicht nun auch in Lauschers Blickfeld trat; er war jünger und sein Schnurrbart sproßte erst als dünner, blonder Flaum auf der Oberlippe. Die beiden schienen sich zu freuen, daß er wieder bei Bewußtsein war, und redeten in ihrer an Zischlauten reichen, melodischen Sprache auf ihn ein.
    Allmählich begann Lauscher auch seinen Körper wieder zu spüren. Er lag auf grasigem Boden, seine Kleider klebten vor Nässe an seiner Haut, und ihn fror erbärmlich. In der Hoffnung, daß die Männer ihn verstehen würden, sagte er in der Sprache der Beutereiter: »Mir ist kalt. Habt ihr etwas Trockenes zum Anziehen?«
    Der ältere der beiden Männer verstand ihn zum Glück, wenn man ihm auch anmerken konnte, daß er diese Sprache nicht gern benutzte. »Wir haben nur eine Decke«, sagte er. »Erst mußten wir deine Seele von den Fischen zurückholen.« Dann rief er seinem Begleiter etwas zu und begann Lauschers Kleidung zu öffnen. Gleich darauf stutzte er und griff nach der Karpfenschuppe, die Lauscher noch immer am Hals trug. »Wer hat dir das gegeben?« fragte er.
    »Eine Sklavin in Khan Hunlis Lager«, sagte Lauscher.
    »Hast du mit ihr geschlafen?« fragte der Mann.
    Lauscher quälte sich ein Lächeln ab. »Nein«, sagte er. »Sie wollte, daß mich ein großer Karpfen beschützt.«
    »Ohne diesen Schutz wärst du jetzt wohl nicht mehr am Leben«, sagte der Mann. »Gehörst du zu Hunlis Leuten?«
    Lauscher schüttelte den Kopf. »Ich bin aus Angst vor seiner Horde mit meinem Pferd in den Fluß gesprungen«, sagte er dann. »Habt ihr auch den Wallach gefunden?«
    »Der stand neben dir, als wir dich am Ufer auflasen«, sagte der Mann. Inzwischen hatte er ihn splitternackt ausgezogen und in eine grobe Wolldecke gehüllt, die sein Begleiter gebracht hatte. Dann sagte er: »Wir beide machen jetzt eine kleine Kahnfahrt, und Roschka bringt dein Pferd nach Hause.« Er deutete mit dem Kopf zur Seite, und dort sah Lauscher seinen Wallach mit hängendem Kopf in der Sonne stehen.
    »Ihr gehört wohl zu den Karpfenköpfen?« sagte Lauscher.
    Der Mann nickte. »Wir sind Fischer«, sagte er. »Ich heiße Boschatzka.« Lauscher nannte ihm seinen Namen und wollte aufstehen, aber seine Beine knickten kraftlos unter ihm weg.
    »Übernimm dich nicht!« sagte Boschatzka. »Du mußt ziemlich lange im Wasser gewesen

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