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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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einem Deckhengst am Halfter«, sagte Narzia lachend. »Wir haben einen kräftigen Wallach im Stall, der etwas höher in der Schulter ist als unsere Steppenpferde und auch nicht so struppig. Das ist genau das Pferd, das du brauchst. Du kannst dich ja in den nächsten Tagen mit ihm vertraut machen.«
    »Ich würde mich freuen, wenn du mir dabei Gesellschaft leistest«, sagte Lauscher. »Lange genug werde ich dann allein reiten müssen.«
    Dagegen hatte Narzia nichts einzuwenden, und so ritten die beiden in den folgenden Tagen des öfteren zusammen aus. Damit Narzia nicht auf einem der niedrigen Steppenpferde neben seinem hochbeinigen Wallach dahintraben mußte, hatte ihr Lauscher seine Stute geliehen. Das Mädchen erwies sich als eine verwegene Reiterin, setzte über Hecken und Gräben, so daß Lauscher zuweilen Mühe hatte, ihm auf dem unvertrauten Pferd zu folgen. Nach einer solchen Hetzjagd kamen sie einmal weiter im Süden zu der Stelle, an der Lauscher auf seiner Reise zu Arnis Leuten in die Hände der Reiter des Khans gefallen war. Lauscher spornte seinen Wallach an, bis er an Narzias Seite war, legte ihr den Arm um die Schultern, und als sie Schneefuß in Schritt fallen ließ, küßte er sie auf den Mund. Narzia brachte ihr Pferd zum Stehen und erwiderte für einen Augenblick seinen Kuß, doch dann machte sie sich rasch los und sagte: »Was soll dieser Überfall?«
    »Dieser Platz eignet sich gut dafür«, sagte Lauscher und erzählte ihr, wie ihn hier die Beutereiter erwischt hatten. »Siehst du«, fuhr er fort, »schließlich hatte es doch sein Gutes, daß ich den Khan samt seinen Reitern in die Steppe hinausgejagt habe. Mir hat diese Sache zu der zweiten Tat verholfen, die ich vollbringen muß, um dich zu bekommen, und dir zu deinem Falkenreiterteppich. Der Khan war ziemlich wütend über den Verlust.«
    »Das habe ich befürchtet«, sagte Narzia. »Aber ich mußte diesen Teppich besitzen; denn er war eigentlich für meine Mutter bestimmt. Der Großmagier legte ihn damals bei der Heirat meiner Eltern in die Hände des Khans, weil es bei den Falkenleuten üblich ist, daß der vornehmste Begleiter des Paares das kostbarste Brautgeschenk trägt, um es dann im Haus der Braut niederzulegen. Hunli kannte jedoch diesen Brauch nicht und meinte, das Geschenk sei für ihn bestimmt, und wurde wütend, als ihm mein Vater zu verstehen geben wollte, wem es eigentlich zugedacht war. Meine Mutter hat mir das später einmal erzählt, und seither konnte ich den Teppich nicht über dem Thronsitz des Khans hängen sehen, ohne den Wunsch zu verspüren, ihn an mich zu bringen.«
    »So ist er nun doch noch zu einem Brautgeschenk geworden«, sagte Lauscher. »Dazu müßtest du erst deine dritte Tat vollbracht haben«, sagte Narzia.
    Doch damit konnte sie ihn nun nicht mehr entmutigen. Eben noch hatte er sein Falkenmädchen im Arm gehalten und geküßt, und nun war er sich seines Erfolges so sicher, daß er in dieser neuen Aufgabe keine Schwierigkeit mehr erblicken konnte. »Zweifelst du daran, daß mir dies gelingt?« sagte er. »Mich stört dabei nur, daß ich so lange Zeit von dir getrennt sein soll. Im übrigen erscheint es mir fast als eine allzu leichte Aufgabe, ein Pferd von den Falkenleuten abzuholen. Gibt es nichts, das ich dir sonst noch mitbringen könnte?«
    »Ich wüßte schon etwas«, sagte Narzia, »aber es wird nicht leicht zu bekommen sein.«
    »Gerade deshalb sollst du es haben«, sagte Lauscher. »Was ist es?«
    »Ein Ring«, sagte Narzia. »Meine Mutter hat mir von einem goldenen Ring erzählt, der gut zu der Fibel passen würde, die du mir von den Bergdachsen mitgebracht hast. Er trägt in einer Fassung von der Form eines Falkenkopfes einen großen Smaragd. Diesen Ring sollst du mir bringen.«
    »Und wo finde ich ihn?« fragte Lauscher.
    »An der Hand des Großmagiers«, sagte Narzia.
    Erst als Lauscher schon bald eine Woche lang bachabwärts nach Süden geritten war, kam ihm allmählich zum Bewußtsein, worauf er sich eingelassen hatte. Wegen des Deckhengstes aus der Zucht von Falkenor machte er sich keine Sorgen, aber den Ring des Großmagiers an sich zu bringen, war schon eine andere Sache. Ein solch zauberkundiger Mann würde nicht so leicht zu übertölpeln sein wie die schlichten Eisenschmelzer und Handwerksmeister von Arziak. Höni und die Ältesten von Arnis Leuten würden sich zwar mit dem Zuchtpferd zufriedengeben, nicht jedoch Narzia. Ohne den Ring durfte er ihr nicht unter die Augen treten, dessen war

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