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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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Wasserkrauts herantrieb und mit gerundetem Maul sein Lied sang, das Lied des Braunen Flusses, wie es damals auch der Sanfte Flöter gehört haben mochte, ein Lied, das die Herrlichkeit des strömenden Wassers pries, die von Erlen und Weiden umgrenzte Welt der Fische und Wasservögel, lebenspendend und lebenerhaltend, aber auch bedrohlich in seiner unbändigen Kraft, und diese Bedrohung dröhnte immer mächtiger in Lauschers Ohren, bis er begriff, daß sie ihm galt. »Laß meine Kinder in Frieden!« brüllte der uralte Karpfen. »Treibe nicht dein heimtückisches Spiel mit ihrer sanften Art! Einmal habe ich dich gerettet um des Zeichens willen, das du an deinem Halse trägst; denn damals kannte ich noch nicht deine Gesinnung. Aber ein zweites Mal soll es dir nicht helfen!« und im gleichen Augenblick spürte Lauscher, wie die Schuppe auf seiner Brust sich kräuselte und zu Staub zerfiel, als sei sie ins Feuer geraten.
    Lauscher stand schwankend und wie bewußtlos und kam erst zu sich, als Boschatzka seinen Arm faßte, um ihn zu stützen. Da endlich nahm er die Flöte von den Lippen und setzte sich schwer atmend auf die Bank. Durch das bewundernde Raunen der Leute hörte er wie aus weiter Entfernung Boschatzkas Stimme. »So hat keiner in unserem Dorf gespielt«, sagte er, »seit vor vielen Jahren Arni mit einem jungen Flöter bei uns zu Gast war. Ich habe noch Leute gekannt, die ihn gehört haben, aber erst heute verstehe ich, was sie erzählten: Sie sagten, sie hätten den Uralten im Fluß singen hören. Es war sehr schön, aber es hat mir auch Angst gemacht.«
    Lauscher nickte benommen und war viel zu erschöpft, um zu erzählen, was er von diesem Flöter wußte. Nach einer Weile sagte er: »Ich bin sehr müde.«
    Die Leute hatten inzwischen begriffen, daß es nichts mehr zu hören geben würde, und gingen nach Hause, während Boschatzka seinen Gast ins Haus führte.
    In dieser Nacht lag Lauscher noch lange wach. Durch das Schnarchen seiner Gastgeber, die am anderen Ende des Raums auf den Wandbänken schliefen, und im Rauschen des Flusses meinte er noch immer die gewaltige Stimme des Uralten zu hören, diese unheimliche Drohung aus der Tiefe der Gewässer, und je länger er ihr lauschte, desto wilder schüttelte ihn die Angst vor diesem Dröhnen, dem er sich hilflos preisgegeben fühlte. Er verkroch sich unter die Decken, aber die erzene Stimme dröhnte nur um so lauter in seinen Ohren, bis ihm nichts mehr übrig blieb als die Flucht in Träume, welcher Art sie auch sein mochten. Er tastete nach seiner Packtasche, holte das Krüglein hervor und ließ im schwachen Schein der letzten Glut auf der Feuerstelle zwei Tropfen auf seine zitternde Hand fallen. Kaum spürte er die klebrige Flüssigkeit auf der Zunge, da packte ihn auch schon

Der dritte schwarze Traum
    Er versank wieder in der gurgelnden Strömung, braunes Wasser spülte über seine Augen, und dieses Braun wurde dunkler und dunkler. Er wurde hinabgezogen in einen Strudel, dessen kreisender Wirbel ihn in die Tiefe riß wie eine hilflos treibende Mücke; ein riesiges, von Barteln umflapptes Maul schnappte nach ihm, weiche, hornige Kiefer kauten auf ihm herum, und dann wurde er wieder ausgespieen, ein ungenießbares, widerwärtiges Ungeziefer, das diesem Maul nicht schmeckte, und trieb weiter in einem grau dahinströmenden Gewässer, vorüber an farblosen, schleimigen Schlinggewächsen, die aus dem Bodenlosen heraufzüngelten und ihn bald rings umgaben wie die Fangarme einer ungeheuren Qualle, zu deren gläsernem Körper er unaufhaltsam hinabsank, und je näher er dieser durchsichtigen Glocke kam, desto deutlicher zeichneten sich hinter ihrer schlierigen Wandung Figuren ab, zwei bleiche, bewegungslose Gestalten, leblos und nackt, eine Frau mit zurückgebeugtem Kopf und ein Tiermensch mit zottigen Hüften und Bocksfüßen, der sich ihr entgegenstemmte und sie in seiner Starrheit doch nicht erreichen konnte, und da war noch eine dritte Gestalt, grau und sorgfältig gekleidet, die sich bewegte: Sie umkreiste die beiden kalkweißen Figuren und weidete sich an ihrer hilflos erstarrten Sehnsucht, zueinander zu kommen. Das Bild war jetzt ganz nah, Lauscher spürte die schlüpfrige Haut der qualligen Glocke unter den Händen, zäh und undurchdringlich, und er sah nun genau, was dem Grauen solches Vergnügen bereitete: Die kreisenden Säfte in dem Hohlkörper begannen die bleichen Figuren allmählich aufzulösen, ihre Glieder wurden dünner und dünner, ein Finger löste

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