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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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ein Spielmann?«
    »Ein Flöter, wie du siehst«, sagte Lauscher und spielte rasch ein Fischerlied, das ihm eben in den Sinn kam.
    Boschatzka war begeistert. »Du verstehst dich auf deine Kunst«, sagte er. »Ich hoffe, du erweist uns die Ehre, noch für ein paar Tage unser Gast zu sein.«
    »Das geht nicht«, sagte Lauscher. »Du mußt wissen, daß ich mit einem Auftrag nach Falkenor unterwegs bin.«
    »Dann bleibe wenigstens noch für eine Nacht«, sagte Boschatzka, und diese Bitte konnte Lauscher ihm nicht abschlagen, schon aus Dankbarkeit für seine Rettung und die freundliche Aufnahme.
    Für den Abend lud Boschatzka das ganze Dorf zu einem Festmahl ein. Seine Hütte war zu klein für so viele Gäste, und so schlug er unten am Flußufer zusammen mit Roschka aus Holzkloben und Brettern ein paar Tische und Bänke auf. Seine Frau heizte inzwischen den Backofen an, der draußen neben dem Haus stand, knetete Teig, den sie zugedeckt in runden Weidenkörben in der Sonne stehen ließ, während sie drinnen im Haus mit den Vorbereitungen der Mahlzeit beschäftigt war.
    Gegen Abend kamen die Leute aus dem Dorf, standen schwatzend am Ufer und warteten, bis Boschatzka seinem Gast den Ehrenplatz angewiesen hatte. Dann setzten auch sie sich auf die Bänke, und gleich darauf begann Boschatzkas Frau die Ergebnisse ihrer Kochkunst aufzutischen. Schon der Duft des frischgebackenen Weißbrots, das sie in Körben auf den Tischen verteilte, ließ Lauscher das Wasser im Mund zusammenlaufen. Was an kalten und warmen Köstlichkeiten, an Gekochtem und Gebratenem aufgetragen wurde, stammte zwar durchweg vom Fluß, war aber alles andere als eintönig und bewies, daß Boschatzkas Frau weitaus mehr verstand als nackte Männer zu waschen. Da gab es gesalzenen Rogen vom Stör, rot gesottene Krebse mit frischer Kresse, eine scharf gewürzte Fischsuppe, an Stöcken geröstete kleine Fische, in würzigem Essig gekochte Schleie und Zander und schließlich Karpfen in einer sauersüßen braunen Soße. Dazu schenkte Boschatzka dieses säuerliche Gebräu aus, von dem schon der Sanfte Flöter erzählt hatte. In das Geräusch der halblaut geführten Gespräche und das sanfte Knacken der Krebsschalen begann sich der Abendgesang der Vögel zu mischen, hie und da strichen ein paar Enten niedrig über den Fluß oder ein springender Fisch ließ das Wasser aufplatschen.
    Als die Sonne jenseits des Flusses im Ufergebüsch untertauchte und alle satt waren, hielt Lauscher den Zeitpunkt für gekommen, an dem er sich auf seine Weise für die Gastfreundschaft der Karpfenköpfe bedanken konnte. Sobald er aufstand und seine Flöte hervorzog, verstummten die Gespräche; nur eine Amsel ließ sich nicht zum Schweigen bringen und sang in den Erlen ihr Abendlied. Lauscher nahm ihre Melodie auf, und eine Zeitlang entwickelte sich ein Wettstreit zwischen Natur und Kunst, doch schließlich siegte die vergoldete Flöte und übertrumpfte den Vogel mit Kaskaden von Trillern und Läufen. Nun, da er das Feld allein behauptete, zeigte Lauscher seine Kunstfertigkeit mit allerlei Liedern und Tänzen, wie sie diesem Fischervolk gefallen mochten, aber auch hier mischte er zwischendurch Passagen ein, in denen er die edle Gesinnung von Arnis Leuten rühmte und den Karpfenköpfen die Vorstellung ins Hirn blies, wie nützlich es sein würde, die Freundschaft dieser friedlichen Handelsleute zu gewinnen. Seine Flöte schien solche Einschübe ohne sein Zutun hervorzubringen; seine Finger bewegten sich wie unter einem Zwang und fanden einschmeichelnde Motive voller Beredsamkeit, und dabei fühlte er sich auf seltsame Weise unbeteiligt, hörte seiner Flöte zu, als spiele sie ein Fremder, und fragte sich, welcher Nutzen für Arnis Leute hier bei diesen armen Fischern zu suchen sei. Ob sich ein gewinnbringender Handel mit geräucherten Fischen oder diesem eingesalzenem Störrogen treiben ließ? Seine Flöte schien sich darüber ihre eigenen Gedanken zu machen, und er ließ sie gewähren, lieh ihr Atem und Hände und beobachtete dabei die offenkundige Wirkung auf den Gesichtern der Karpfenköpfe, die wie in Trance solch nie gehörtem Spiel lauschten.
    Es war schon fast dunkel, als ihm das seltsame glockentiefe Dröhnen in den Sinn kam, das er gehört hatte, als er in den Fluten des Braunen Flusses versunken war, und schon formte seine Flöte auch diesen Klang nach, der aus der Tiefe aufstieg zugleich mit dem Bild eines uralten, riesigen Karpfens, der zwischen dem grünen Geschlinge des

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