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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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Aufpasser mit der Horde reiten lassen?«
    Arni lachte leise und sagte: »Das bestimmt nicht. Eher, daß du dich zu wenig fürchtest. Aber ich dachte mir, daß es dir lieb sein könnte, einen Freund bei dir zu haben.«
    Ehe der Junge antworten konnte, hielten die Reiter an der Spitze des Zuges ihre Pferde an und warteten, bis die anderen herzukamen. »Hier teilt sich der Weg«, sagte der Anführer des Vortrupps, ein hagerer, grauhaariger Mann mit zerhacktem Gesicht. »Du bist doch schon in dieser Gegend gewesen, Arni. Kannst du mir raten, in welcher Richtung wir besser vorankommen?«
    »Das kommt darauf an, was du darunter verstehst«, sagte Arni. »Ich für meinen Teil würde den linken Weg vorziehen. Er führt in ein entlegenes Tal mit einem vorzüglichen Fischwasser, an dem sich gut lagern läßt. Hast du nicht Lust auf gebratene Forellen? Wenn ich an den Duft der brutzelnden Fische denke, läuft mir schon jetzt das Wasser im Mund zusammen.«
    »Und wohin führt der andere Weg?« fragte der Anführer, unbeeindruckt von dieser verlockenden Aussicht.
    »Durch eine Waldschlucht geradewegs auf Fraglund zu«, sagte Arni, »und du kannst sicher sein, daß der große Brüller dort irgendwo mit seinen Leuten auf uns lauert. Frag mich aber nicht wo. Denn dafür gäbe es Dutzende von geeigneten Stellen.«
    »Also nach rechts«, sagte der Anführer. »Wir sind nicht so weit geritten, um ein paar Forellen zu fangen.« Er spornte sein Pferd an und ritt, gefolgt von seinen Männern, auf dem rechten Weg weiter. Arni zuckte mit den Schultern und sagte: »Schade, ich habe solchen Appetit auf gebratene Forellen.«
    »Dann reite doch nach links«, sagte der Junge.
    »Und wohin reitest du?« fragte Arni.
    »Nach rechts natürlich«, sagte der Junge. »Ich muß schließlich bei der Horde bleiben.«
    »Also keine Forellen«, sagte Arni gleichmütig und lenkte sein Pferd den anderen Reitern nach, die schon ein Stück weit vor ihnen auf dem Pfad dahintrabten.
    Während sie erst durch Gebüsch und dann durch welliges Wiesengelände ritten, griff Arni zu einem Beutel an seinem Gürtel und nahm seinen Stein heraus. Er hielt ihn zwischen den Fingerspitzen und ließ ihn in der Mittagssonne aufleuchten.
    »Warum tust du das?« fragte Belarni.
    »Eine Angewohnheit«, sagte Arni. »Wenn mir ein Entschluß schwerfällt, schaue ich meinen Stein an.«
    »Sagt dir dein Stein dann, was du tun sollst?« fragte der Junge. Er schaute gebannt auf das pulsierende Farbenspiel von Blau, Grün und Violett, das unter den dünnen, knotigen Fingern des alten Mannes hervorbrach und sie fast durchsichtig erscheinen ließ.
    »So einfach ist das nicht«, sagte Arni. Er hielt den Stein so, daß Belarni ihn genau betrachten konnte, und fuhr fort: »Sag doch selber: Kann ein Stein reden? Was wäre ich denn überhaupt für ein Mensch, wenn ich immer nur das tun würde, was mir ein Stein sagt? Ein Sklave wäre ich, der keinen eigenen Willen hat, sondern nur das tun darf, was ihm sein Herr befiehlt. Möchtest du so leben?«
    »Nein«, sagte Belarni. »Aber es wäre schon gut, hie und da einen Rat zu erhalten, wenn man nicht genau weiß, was man tun soll. Ich habe immer geglaubt, dieser Stein habe dich zu dem Menschen gemacht, der du bist. Die Leute sagen jedenfalls, daß du erst seit jenem Tag, an dem dir Urla diesen Stein gegeben hat, so anders geworden bist als mein Vater.«
    »Auch das ist nicht ganz richtig«, sagte Arni. »Ich selbst habe diesen Stein damals gewählt, weil er mir lieber war als der goldene Reiter mit dem Krummschwert, nach dem dein Vater gegriffen hat. Urla hat selbst gesagt, daß ich diese Wahl getroffen habe, weil ich schon immer anders war als mein Bruder. Allerdings habe ich das zu dieser Zeit noch nicht gewußt und deshalb mit deinem Vater um die Nachfolge in der Würde des Khan gestritten. Dieser Stein hat mir gezeigt, daß ich einen andern Weg gehen muß. Er hat mir geholfen, so zu sein, wie ich eigentlich sein möchte ohne Rücksicht darauf, was die Leute von mir denken.«
    »Stimmt es, daß dieser Stein die gleichen Farben hat wie Urlas Augen?« fragte Belarni.
    »Ja«, sagte Arni. »Er gleicht nicht nur Urlas Augen, sondern auch den Augen meiner Frau, die ja eine Enkelin Urlas war. Wenn ich ihn anschaue, ist es, als blicke ich in die Augen des Menschen, den ich am meisten geliebt habe, und dann fällt es mir nicht schwer, das zu tun, von dem ich eigentlich schon vorher wußte, daß es das richtige ist.«
    »Das ist also das Geheimnis deines

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