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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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Aussichten nicht sonderlich begeistert. Er hatte gehofft, mit Barlo über Land zu reiten, wie Furro sich ausgedrückt hatte, und dabei womöglich ein paar denkwürdige Abenteuer zu erleben. Nun sah es so aus, als solle er den ganzen Sommer lang auf diesem Grashügel hocken und Schafe hüten. Und von wem sollte er hier das Zuhören lernen, das der Sanfte Flöter für so lernenswert gehalten hatte? Von den Schafen vielleicht, die langsam vor sich hin weideten und von Zeit zu Zeit blökend dem Hund auswichen, der sie zusammentrieb, wenn sie sich allzu weit von der Herde entfernten? »Wo sollen wir schlafen?« fragte er und hegte dabei die Hoffnung, daß Barlo sich auf die Dauer nicht mit einem windigen Schäferquartier zufriedengeben würde.
    »Holt eure Reittiere und kommt mit«, sagte der Schäfer. »Ich zeig’s euch.«
    Er führte sie auf die andere Seite des Hügels, und hier stand dicht unter der Kuppe zwischen Haselstauden und Holunderbüschen eine Schäferhütte, deren Außenwände und Dach mit abgeschälter Fichtenrinde abgedichtet waren, eine luftige Behausung, aber im Winter brauchte hier ja keiner zu wohnen. »Hier können wir kochen und schlafen«, sagte der Schäfer. »Vorräte werden alle zwei Wochen vom Dorf heraufgebracht, und Lohn gibt es im Spätherbst, wenn wir die Schafe heimgetrieben haben. Nun, was meint ihr? Wollt ihr dableiben?«
    Barlo nickte und gab dem Schäfer die Hand, um sein Einverständnis zu bestätigen. Da blieb Lauscher nichts anderes übrig, als das gleiche zu tun. Dann sattelten sie ihre Reittiere ab und trugen Sättel und Packtaschen in die Hütte. Sie hatte nur einen Raum; rechts der Tür waren vier Schlafpritschen aus Brettern, auf denen Strohsäcke und grobe Wolldecken lagen; links stand in der Ecke ein aus Feldsteinen roh aufgemauerter Herd; dann gab es noch einen Tisch und zum Sitzen ein paar trommelförmige Baumklötze. An der Wand hingen Töpfe und Pfannen und daneben auch noch vier Jagdbogen und Köcher mit Pfeilen.
    »Wozu die Bogen?« fragte Lauscher.
    »Im Herbst kommen manchmal Wölfe aus dem Wald herunter«, sagte der Schäfer. »Jetzt im Frühling braucht ihr euch deswegen noch keine Sorgen zu machen. Könnt ihr damit umgehen?«
    »Einigermaßen«, sagte Lauscher, und Barlo nickte. Als sich Lauscher wieder umwandte, um hinauszugehen, sah er die sonnenüberflutete Landschaft draußen wie ein in leuchtenden Farben gemaltes Bild im dunklen Rahmen der Tür: den jenseits des Tales wieder aufsteigenden Wiesenhang mit einzelnen Büschen und hie und da eine zierliche Eberesche. Auf der unteren Hälfte graste die zweite Herde, umkreist von einem kräftigen, langhaarigen Schäferhund. Weiter oben traten die Büsche enger zusammen, und dann begann der dichte, dunkelgrüne Fichtenbestand. In den sanften Einschnitten eines Seitentals schob sich von beiden Seiten Waldkulisse um Waldkulisse bis weit in blaue Ferne. Irgendwo dort hinten mußte Barleboog liegen.
    Nach der ersten Woche hatten sie sich eingewöhnt. Der Schäfer hatte ihnen die Anfangsgründe seiner Kunst beigebracht, und wenn sie etwas nicht wußten, brauchte Lauscher nur auf die andere Seite des Hügels zu gehen, um ihn zu fragen. Das Pferd und den Esel ließen sie frei grasen, und die Schafe hatten sich bald an die beiden Tiere gewöhnt; nur der Hund betrachtete sie noch mit Argwohn, wenn sie seinen Schützlingen zu nahe kamen, und fuhr ihnen dann kläffend zwischen die Beine. Barlo saß die meiste Zeit des Tages unter einem Haselbusch und spielte auf seiner Flöte.
    Nach und nach begriff Lauscher, warum sich Barlo diese einsame Beschäftigung gesucht hatte. Offenbar wollte er sein Flötenspiel in aller Ruhe verfeinern und ungestört ausprobieren, was alles sich mit seinem Instrument ausdrücken ließ. Mit der Zeit empfand Lauscher diese Tonfolgen derart als Bestandteil der Landschaft, daß er erst aufhorchte, wenn sie einmal verstummten.
    Manchmal hörte er jedoch zu, und das nicht nur, weil er das Zuhören lernen sollte, sondern weil ihn irgendein Motiv fesselte, das Barlo gefunden hatte. Es gelang ihm dabei immer besser, Barlos Gedanken und Empfindungen zu folgen, die in seiner eigenen Vorstellung Gestalt annahmen wie die Abbilder von Ereignissen, in denen fast stets das hoch aufragende Schloß von Barleboog im Mittelpunkt stand inmitten des weiten Tals, das rings von den Wäldern eingeschlossen war. Aber es war nicht das düstere, unter dem Zwang der bösen Herrin verstummte Barleboog, das er kannte, sondern eine

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