Stein und Flöte
sie ihren Vater in seinem Haus am Rande der Steppe besuchen wollte.«
»Hast du Arni kennengelernt?« fragte Lauscher.
Furro schlug die Nagellöcher in das zweite Eisen und sagte dann: »Ja. Ein paarmal kam er zu Hefas in die Schmiede, um seine Töchter zu sehen. Und er war auch dabei, als ich Rikka geheiratet habe. Ich mochte ihn gern. Er war ein Mann, mit dem sich gut reden ließ.«
Dann wendete sich Furro wieder seiner Arbeit zu und blieb schweigsam, bis Jalf seine Eisen an den Hufen hatte. »Das sollte eine Zeitlang halten«, sagte er nur noch, und wenig später hatten Barlo und Lauscher das Dorf schon hinter sich zurückgelassen und ritten wieder am Fluß entlang. Vier Tage waren sie so unterwegs, schliefen nachts in Feldscheunen, und Lauscher hatte zunächst den Eindruck, als reite Barlo nur deshalb in dieser Richtung weiter, weil hier ein Weg war, gleichgültig, wohin er führen mochte. Doch am vierten Tag fiel ihm auf, daß Barlo von Zeit zu Zeit zu den grasigen Hängen hinaufblickte, die auch hier noch das Flußtal säumten. Ob er etwas suchte? Lauscher fragte ihn, aber Barlo winkte nur ab und ritt weiter.
Gegen Abend an diesem Tag sah Lauscher weit oben auf den Hügeln eine Schafherde grasen, eine dicht gedrängte Schar weißer Flöckchen, um die ein Hund kreiste wie ein unruhiger schwarzer Punkt. Barlo entdeckte die Herde im gleichen Augenblick und hielt sein Pferd an. War es das, was er gesucht hatte? Lauscher konnte sich keinen Reim darauf machen. Was hatte Barlo mit Schafen im Sinn? Offenbar war es wirklich das, worauf Barlo aus war. Er lenkte sein Pferd vom Weg ab ins Weideland und ließ es auf die Schafherde zutraben. Lauscher folgte ihm auf seinem Esel und fragte sich, was aus alledem werden sollte.
Er brauchte nicht lange darauf zu warten. Als sie den Hügel hinaufgeritten und in die Nähe der Herde gelangt waren, stieg Barlo ab, um die Tiere nicht zu erschrecken. Er band sein Pferd an einen Haselbusch und bedeutete Lauscher, daß er auch seinen Esel hier zurücklassen solle. Der Schäfer, der oberhalb seiner Herde auf der Kuppe des Hügels stand, war jetzt auf sie aufmerksam geworden und kam ihnen entgegen, als sie weiter auf die Herde zugingen. Er pfiff seinen Hund zurück, der sich kläffend den Eindringlingen entgegenstürzte, und begrüßte die beiden. »Habt ihr mich gesucht?« fragte er.
Barlo nickte.
»Und was kann ich für euch tun?« fragte der Schäfer und blickte von einem zum anderen; doch Lauscher konnte ihn beim besten Willen nicht verraten, was sein Herr im Sinn hatte. Da zog Barlo seine Flöte hervor und begann zu spielen. Was er da aus seiner Flöte hervorlockte, klang wie ein Hirtenlied, wie es ein Schäfer an einem Frühlingstag wie diesem blasen mochte, wenn er nichts anderes zu tun hatte. Lauscher hörte aufmerksam zu, denn er hatte schon begriffen, daß er hier wieder den Dolmetscher würde spielen müssen. Und je weiter Barlo sein Lied ausspann, desto klarer wurde es Lauscher, daß sein Herr Schafe hüten wollte. Nach all den geheimnisvollen Andeutungen, die Lauscher im Haus des Schmieds gehört, aber nicht recht verstanden hatte, entsprach das nicht gerade seinen Vorstellungen, die er sich von Barlos Ziel gemacht hatte. Er hatte sich schon eingebildet, daß sein Herr zu irgendwelchen Heldentaten ausgezogen sei, an denen auch er selbst einen gewissen Anteil haben würde. Und nun wollte er wirklich Schafhirte werden, daran gab es keinen Zweifel.
»Ein hübsches Lied«, sagte der Schäfer, als Barlo zu Ende gespielt hatte. »Wenn du nicht auf einem Pferd heraufgeritten wärst, würde ich wetten, daß auch du ein Schäfer bist.«
»Soweit ich meinen Herrn richtig verstanden habe«, sagte Lauscher, »möchte er gern einer werden. Und mich wird er wohl als Hütejungen dabeihaben wollen.« Barlo nickte und blickte den Schäfer fragend an.
»Besonders gesprächig scheint er ja nicht zu sein, dein Herr«, sagte der Schäfer zu Lauscher. »Aber das ist für einen Schafhirten eher ein Vorteil; denn viel Gesellschaft hat er nicht zu erwarten. Im übrigen kommt ihr mir gerade recht. Ich habe noch eine zweite Herde, die in dem Tal auf der anderen Seite des Hügels weidet. Ihr Hirte hat sich am Bein verletzt und wird wohl so bald nicht wieder laufen können. Ich muß inzwischen für beide Herden sorgen. Den ganzen Tag lang renne ich von der einen auf die andere Seite, damit mir keine Schafe verlorengehen. Von mir aus könnt ihr also gleich anfangen.«
Lauscher war von diesen
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