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Steinbock-Spiele

Steinbock-Spiele

Titel: Steinbock-Spiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Nahrungsreserve für Meeresfauna dient, ist durch dieselben Faktoren unfruchtbar gemacht worden.‹
    Es ist ein kühler Frühlingstag, und ich bin hier in Washington, D. C. Das ist die Hauptstadt dort. Das dort unten ist das Kapitol, und hier ist das Weiße Haus. Das Washington Monument kann ich nicht sehen, weil es noch nicht fertig ist, und ein LincolnDenkmal gibt es natürlich nicht, weil Honest Abe gesund und wohl in der Pennsylvania Avenue ist. Heute ist Freitag, der 14. April 1865. Und hier bin ich! Mann!
    – Wir besitzen die Macht, einen Wandel herbeizuführen. Nun gut, was sollen wir ändern? Das ganze scheußliche Rassenproblem?
    – Das ist toll. Aber wie stellen wir das an?
    – Nun, wie wär’s, wenn wir die ganze Sklaverei als Institution an der Wurzel herausreißen, indem wir ins sechzehnte Jahrhundert zurückgehen und sie gleich am Beginn blockieren?
    – Nein, zu viele Ausstrahlungen: wir müßten die Dynamik des gesamten imperialistisch-kolonialistischen Vorstoßes verändern, und das ist einfach eine zu große Aufgabe, selbst für einen Haufen Götter. Allmächtig mögen wir sein, aber nicht unbesiegbar. Wenn wir den Impuls dort blockieren, taucht er entlang der Zeitlinie nur irgendwo anders wieder auf; keine Kraft von dieser Gewalt kann gänzlich erstickt werden.
    – Was wir brauchen, ist eine gezielte Methode, das Rassenproblem umzukehren. Suchen wir ein einzelnes Ereignis, das in der Geschichte der Beziehungen zwischen Schwarz und Weiß in den Vereinigten Staaten an einem entscheidenden Knotenpunkt liegt, und machen wir es ungeschehen. Irgendwelche Vorschläge?
    – Sicher, Thomas. Die Ermordung Lincolns!
    – Mann! Laß das durch die Maschine laufen und stell fest, welche Folgen das haben würde.
    Wir stellen also die Simulationen an, und bei zwanzig Versuchen kommt zwanzigmal der Vorschlag heraus, Lincoln zu entmorden. Wunderbar. Jeder Gorilla mit einem Gewehr kann ein Attentat verüben, aber nur wir können ein Attentat rückgängig machen. Alors: Lincoln bekommt Gelegenheit, seine zweite Amtszeit zu Ende zu führen. Der schwache, unfähige Andrew Johnson bleibt Vizepräsident, und die Fraktion der radikalen Republikaner im Kongreß kann ihre gegen den Süden gerichtete Politik des ›Demütigt die stolzen Verräter‹ nicht durchsetzen. Unter Lincolns ruhiger Führung wird der Süden vernünftig wiederaufgebaut und in der Union willkommen geheißen. Es wird keine rachsüchtige Reconstruction-Zeit geben, und ebensowenig die gleichermaßen rachsüchtige Jim-Crow-Reaktion auf die Kriegsgewinnler, die zu den Lynchmorden und Unterdrückungsgesetzen führte, und vielleicht können wir ein Jahrhundert rassischer Verbitterung auslöschen. Vielleicht.
    Das ist Ford’s Theatre dort drüben. Heute abend spielt man ›Unsere amerikanischen Vettern‹. Im Augenblick versteckt sich John Wilkes Booth in irgendeinem Hotel in der Innenstadt, nehme ich an, ölt seine Waffe und übt seinen Schlachtruf: ›Sic semper tyrannis!‹ wird er rufen, und er wird den armen, alten Abe niederstrecken.
    – Eine Karte für die Vorstellung heute abend, bitte.
    Seht die eleganten Damen und Herren aus ihren Wagen steigen. Sie wissen, daß der Präsident im Theater sein wird, und sie tragen ihre feinste Garderobe. Und ja! Das ist der Wagen vom Weißen Haus! Ist diese gebieterisch blickende Dame Mary Todd Lincoln? Sie muß es sein. Und da ist der Präsident, wie aus dem Fünfdollarschein herausgestiegen. Ergrauender Bart, gebeugte Schultern, müde Augen, zerfurchtes Gesicht. Armer, alter Abe. Tue ich dir einen so großen Gefallen, wenn ich dich heute abend rette? Willst du deine Bürde nicht ablegen? Aber die Geschichte braucht dich, Mann. Die ganz’n klein’ schwarzen Jungs und Mädels, die brauch’n dich. Der Präsident winkt. Ich winke zurück. Grüße aus dem zwanzigsten Jahrhundert, Mr. Lincoln! Ich bin hier, um Sie Ihres Märtyrertums zu berauben!
    Der Vorhang geht hoch. Abe lächelt in seiner Loge. Ich kann dem Stück nicht folgen. Worte, nichts als Worte. Die Zeit schleicht dahin, ticktack, ticktack, ticktack. Endlich zehn Uhr. Der Augenblick nähert sich. Da, seht ihr ihn? Da: der Mann mit den wilden Augen und der großen Pistole. Mann, das ist ja eine Kanone! Und er schleicht auf den Präsidenten zu. Warum achtet niemand darauf? Ist das Stück so gottverdammt interessant, daß keiner bemerkt –
    »He! He, Sie, John Wilkes Booth! Blicken Sie hierher, Mann! Sehen Sie mich an!«
    Alles dreht sich um, als ich

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