Steinbock-Spiele
Stimme des Rabbi übertönte den Tumult und brachte uns alle zum Schweigen. Er war ein Mann von außerordentlicher Kraft, physisch wie moralisch, dem der ganze Kibbuz sich stets zuwandte, wenn er der Führung bedurfte, obwohl es praktisch keinen unter uns gab, der die wichtigeren Riten des Judaismus beachtete. Er sagte: »Mir fällt das Verstehen ebenso schwer wie euch. Aber der Beweis triumphiert über meine Skepsis. Wie können wir leugnen, daß Joseph Avneri als Dybuk zurückgekehrt ist? Moshe? Sie wissen keine Methode, wie dieser Eindringling veranlaßt werden kann, den Körper des Kunivar zu verlassen?«
»Keine«, sagte Moshe.
»Vielleicht wissen die Kunivaru selbst einen Weg«, meinte Yakov Ben-Zion.
»Genau«, sagte der Rabbi. »Mein nächster Punkt. Die Kunivaru sind ein primitives Volk. Sie sind der Welt der Zauberei und Magie, der Dämonen und Geister näher als wir, deren Gehirne in den Gewohnheiten der Vernunft geschult sind. Vielleicht kommen solche Fälle der Besessenheit oft bei ihnen vor. Vielleicht haben sie Methoden, unerwünschte Geister zu vertreiben. Wenden wir uns an sie. Sie sollen ihren Angehörigen selbst heilen.«
Es dauerte nicht lange, bis Yigal eintraf und sechs Kunivaru mitbrachte, darunter Gyaymar, das Oberhaupt des Dorfes. Sie füllten das kleine Krankenzimmer und drängten sich darin wie eine Delegation großer, pelzbedeckter Zentauren. Der scharfe Geruch von so vielen Exemplaren auf einmal störte mich, und obwohl sie immer freundlich gesinnt gewesen waren und nie Einwände erhoben hatten, als wir Flüchtlinge erschienen waren, um uns auf ihrem Planeten niederzulassen, fürchtete ich sie jetzt wie nie zuvor. Sie scharten sich um Seul, stellten in ihrer eigenen geschmeidigen Sprache Fragen, und als Joseph Avneri auf hebräisch antwortete, flüsterten sie Unverständliches für uns miteinander. Dann brach unerwartet die Stimme Seuls durch, sprach mit stockenden, verkrampften, einsilbigen Worten, die den entsetzlichen Schock erkennen ließen, den sein Nervensystem erhalten haben mußte; dann verklang die Stimme Seuls, und Joseph Avneri sprach wieder mit seinem Mund, bat um Verzeihung und erflehte Befreiung.
Shlomo Feig wandte sich Gyaymar zu und sagte: »Sind solche Dinge auf dieser Welt schon früher geschehen?«
»O ja, ja«, sagte der Häuptling. »Oft. Wenn einer von uns stirbt und eine schuldige Seele hat, wird ihm die Ruhe verweigert, und der Geist kann seltsame Wanderungen durchmachen, bevor die Vergebung kommt. Welche Sünde hat dieser Mann begangen?«
»Es wäre schwierig, das jemandem zu erklären, der nicht Jude ist«, sagte der Rabbi hastig und senkte den Blick. »Die wichtigste Frage ist, ob ihr Mittel habt, ungeschehen zu machen, was dem unglücklichen Seul zugestoßen ist, dessen Leiden wir alle beklagen.«
»Wir haben ein Mittel, ja«, sagte Gyaymar.
Die sechs Kunivaru hoben Seul auf ihre Schultern und trugen ihn aus dem Kibbuz; wir erfuhren, daß wir sie begleiten durften, wenn wir das wünschten. Ich ging also mit, ebenso Moshe Shiloah, Shmarja Asch, Yakov Ben-Zion, der Rabbi, und vielleicht noch ein paar andere. Die Kunivaru trugen ihren Genossen nicht in ihr Dorf, sondern zu einer Wiese mehrere Kilometer östlich davon, in der Richtung, wo die Chassidim lebten. Nicht lange nach der Landung hatten uns die Kunivaru wissen lassen, daß die Wiese für sie heilig sei, und keiner von uns hatte sie je betreten.
Es war ein herrlicher Ort, grün und feucht, eine sanft abfallende Mulde, durchzogen von einem Dutzend kühler, kleiner Bäche. Sie legten Seul an einen der Wasserläufe und gingen in den Wald neben der Wiese, um Feuerholz und Kräuter zu sammeln. Wir blieben in Seuls Nähe.
»Das wird nichts nützen«, murmelte Joseph Avneri mehr als einmal. »Zeitverschwendung, eine unsinnige Energievergeudung.«
Drei von den Kunivaru errichteten einen Holzstoß. Zwei saßen in der Nähe, zerzupften die Kräuter, machten Haufen aus Blättern, Stengeln und Wurzeln. Mit der Zeit erschienen immer mehr von ihnen, bis die Wiese voll war; es hatte den Anschein, als käme das ganze Dorf, etwa vierhundert Kunivaru, um zuzusehen oder am Ritus teilzunehmen. Viele trugen Musikinstrumente, Trompeten und Trommeln, Rasseln und Klappern, Leiern, Lauten, kleine Harfen, Schlagbretter, Holzflöten, alles von komplizierter, ausgefallener Machart; wir hatten einen solchen kulturellen Hochstand nicht erwartet. Die Priester – ich vermute, daß es Priester waren, Kunivaru von Statur und
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